Experten für Neurorehabilitation schlagen Alarm

In einem Pressegespräch anlässlich der 10. Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) und der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neurorehabilitation (DGNKN) haben Vertreter und Vertreterinnen der beiden Fachgesellschaften ihre große Besorgnis über die Auswirkungen der kürzlich verabschiedeten Krankenhausreform auf die Zukunft der neurologischen Rehabilitation in Deutschland zum Ausdruck gebracht. Die Krankenhausreform in ihrer jetzigen Form drohe ein gut etabliertes und effektives System der Neurorehabilitation zu demontieren, so der Tenor der Experten und Expertinnen.
Die Reform, die auf eine Straffung der Gesundheitsversorgung abzielt, könnte zu einer erheblichen Reduzierung der Bettenkapazitäten in der spezialisierten Neurorehabilitation und zu einer potenziellen Verschlechterung der Versorgungsqualität für Patienten und Patientinnen mit neurologischen Erkrankungen führen. „Dies ist besonders besorgniserregend für alle Patienten und Patientinnen, die nach einer kritischen Erkrankung oder Operation eine intensive Frührehabilitation benötigen“, so PD Dr. Christian Dohle, Präsident der DGNR. „Denn die Neurorehabilitation behandelt nicht nur Hirnerkrankungen wie Schlaganfall, sondern auch Patienten und Patientinnen, die durch lange Aufenthalte auf einer Intensivstation schwere Schädigungen des Nervensystems erleiden.“
Die Neurorehabilitation spielt eine entscheidende Rolle dabei, diesen Patienten und Patientinnen zu helfen, verlorene Funktionen wiederzuerlangen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Eine frühzeitige und spezialisierte Rehabilitation ist für optimale Ergebnisse unerlässlich. Die neuen Vorschriften könnten jedoch zu einem Mangel an Betten vor allem in der hochspezialisierten neurologischen Frührehabilitation führen, was den Zugang zur Rehabilitation für viele Patienten und Patientinnen möglicherweise verzögern oder ganz verhindern könnte.
Die Experten und Expertinnen betonten, dass die Neurorehabilitation ein hochspezialisiertes Fachgebiet ist, das eine einzigartige Kombination aus medizinischer, therapeutischer und sozialer Betreuung erfordert. Diese wird in Deutschland mehrheitlich in spezialisierten Fachkliniken erbracht. Die aktuellen Festlegungen der Krankenhausreform gefährdet jedoch die Versorgung in den Fachkliniken. Damit ständen etwa die Hälfte der Betten der neurologischen Frührehabilitation nicht mehr zur Verfügung, was nicht kompensiert werden kann.
„Wir haben ein ausgeklügeltes Phasenmodell für die Neurorehabilitation entwickelt, das sich als äußerst wirksam erwiesen hat“, sagte Tagungspräsident Professor Tobias Schmidt-Wilcke. „Dieses Modell gewährleistet einen nahtlosen Übergang von der primären Akutversorgung über die Frührehabilitation (Krankenhaus) zur Anschlussrehabilitation (Rehabilitationseinrichtung) und optimiert so die Genesung der Patienten und Patientinnen.“ Die Reform drohe, dieses Modell zu stören und viele Patienten und Patientinnen ohne die Versorgung zu lassen, die sie benötigten. Schmidt-Wilcke: „Im Bundesland NRW, dessen Planung als Modell für die Krankenhausreform diente, sehen wir bereits die großen Probleme, die sich aus der Umsetzung ergeben, so dass sogar die Betroffenen Alarm schlagen.“
Die DGNR und die DGNKN fordern die politischen Entscheidungsträger und -trägerinnen auf, die Auswirkungen der Krankenhausreform auf die Neurorehabilitation zu überdenken. Sie fordern die Regierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um spezialisierte Neurorehabilitationsdienste zu erhalten und sicherzustellen, dass die Patienten und Patientinnen Zugang zu der benötigten Versorgung haben.
Dr. Robin Roukens, Co-Tagungspräsident, mahnte an, dass die besonderen Bedürfnisse dieser Patienten und Patientinnen anerkannt werden müssen. Roukens: „Wir müssen sicherstellen, dass schwer betroffene Patienten und Patientinnen weiterhin entsprechend des neurologischen Phasenmodells eine durchgehende Versorgung erhalten und die Versorgungskette nicht zerbricht. Eine nachhaltige Versorgung Schwerstkranker kann nur unter Einbeziehung der gesamten neurorehabilitativen Versorgungskette gelingen. Die Krankenhausreform gefährdet die neurologische Frührehabilitation, aber auch in der nachfolgenden Versorgung entstehen derzeit Versorgungslücken. Die Zukunft der Neurorehabilitation und damit die Versorgung Schwerstbetroffener steht auf dem Spiel.“

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