Bürgergeld-Empfänger mit einer Behinderung müssen von Sanktionen ausgenommen werden

Nach der Einigung von „Ampel“-Koalition und Union auf die veränderte Version des sogenannten „Bürgergeld“-Gesetzes zeigt sich auch der Leiter der ehrenamtlichen Anlaufstelle „Beratung mit Handicap“erleichtert. Dennis Riehle erklärt: „Schlussendlich ist das ein Kompromiss, der in Demokratien nötig ist, um zu politischen Lösungen zu kommen. Natürlich hätte auch ich mir gewünscht, dass insbesondere im Blick auf die Vertrauenszeit keine Änderung am ursprünglichen Entwurf des Ministeriums vorgenommen worden wäre. Aber wenn es nun einmal dieses Zugehen auf die CDU-/CSU-mitgeführten Bundesländer gebraucht hat, muss ich das auch hinnehmen und bin froh, dass die Regelsatzerhöhung pünktlich zum Jahresbeginn 2023 umgesetzt wurde und auch der Grundgedanke des Vorhabens erhalten bleibt. Denn mit dem Wegfall des Vermittlungsvorrangs wird künftig gewährleistet, dass Menschen nicht in vorübergehende Hilfsjobs abgeschoben, sondern derart weiterqualifiziert werden, dass sie möglichst schnell im ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Auch die Karenzzeit wird dazu beitragen, dass sich die ‚Jobcenter‘ weniger stark auf die Bürokratie konzentrieren müssen, sondern mehr Zeit für die individuelle Förderung haben.“ Da ohnehin nur rund drei Prozent der Leistungsbezieher mit Sanktionen belegt würden, sei die Einigung auf mögliche Strafen vom ersten Tag an auch nur für einen Bruchteil der Arbeitslosen von Bedeutung: „Es ist richtig, dass das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage eine klare Grenze gezogen und die Kürzungen auf maximal 30 Prozent festgelegt hat. Dennoch muss in der Praxis künftig stets geprüft werden, welchen Grund ein Betroffener hat, wenn es zu etwaigen Meldeversäumnissen oder Terminabsagen kommt. Gerade bei behinderten Menschen können krankheitsbedingt kurzfristige Hürden dazwischenkommen, die nicht unmittelbar zu einer Sanktion führen dürfen. In solchen Fällen muss der Geist des neuen Gesetzes greifen, wonach die Mitarbeiter im Amt zunächst einmal nachfragen und überprüfen, wieso der Bezugsberechtigte nicht erschienen ist oder seiner Mitwirkungspflicht vorübergehend nicht nachkommen konnte. In begründeten Situationen krankheitsbedingter Nachlässigkeit dürfen keine Sanktionen verhindert werden“, fordert der Psychologische Berater. „Es sollte dem Sinn einer der größten Sozialreformen der letzten Jahrzehnte entsprechen, dass sich ‚Jobcenter‘ wieder ihrem exekutiven Charakter zuwenden und nicht judikative Hilfssheriffs bleiben, denen es vor allem darum geht, Druck und Stress auf die Kunden auszuüben und nach möglichen Fehlern zur Bestrafung zu suchen.“

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