Das EMMA-Projekt

Jede zehnte Sprachstörung, die auf einer Läsion beruht, ist die Folge eines Schädelhirntraumas (SHT). Dennoch existierte bislang keine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Logopädie, die die vielfältigen Begleiterkrankungen berücksichtigte und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die Spezifika der Diagnostik traumatischer Aphasien formulierte. Jetzt jedoch hat ein von der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung gefördertes Projekt diese Lücke zu schließen versucht. Mit einem explorativen Mixed-Method-Ansatz, in die eine Untersuchung der gängigen Fachliteratur ebenso einfloss wie Interviews mit Logopäden und eine Befragung von Betroffenen, hat das Team um Dr. Robert Darkow von der FH Johanneum in Graz kommunikative und kognitive Störungen ebenso untersucht wie Persönlichkeitsveränderungen, Epilepsie oder Fatigue-Symptome. „All das kann die Kommunikation beeinflussen und muss daher für die logopädische Intervention abgeklärt werden“, erklärt Darkow, der an der Grazer FH das Institut für Logopädie leitet und das Projekt namens „EMMA“ initiiert hat. „Es ist daher wichtig, dass Therapeuten entsprechende Signale wahrnehmen und reflektieren können, um dann Fachärzte hinzuzuziehen und gegebenenfalls bei einer positiven Diagnose die Therapie anzupassen.“ Der Ursprung von Projekt EMMA liegt in der eigenen klinischen Expertise von Darkow. „Ich hatte einen Patienten, bei dem die klassische Aphasietherapie überhaupt keine Fortschritte brachte. Also habe ich mir überlegt, welche anderen Ansätze ich verfolgen könnte. Damals stellte ich fest, dass eine entsprechende Handreichung fehlte. Irgendwann fielen mir allerdings bestimmte Verhaltensmuster an dem Patienten auf, die mich dazu bewogen, eine Therapieform für kognitive Beeinträchtigungen zu wählen – und auf einmal besserte sich die Aphasie. Das war für mich die Initialzündung für das Projekt, dessen Abschlussbericht nun vorliegt.“ Darin werden neben einer ersten Systematik der zahlreichen Folgen eines SHT auf Sprache und Kommunikationsfähigkeit auch diverse Testbatterien beschrieben, die Logopädinnen und Logopäden kombinieren können, um zu einer ersten Einschätzung hinsichtlich der Ursachen einer Aphasie zu kommen. EMMA ist allerdings nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer besseren Behandlung von Aphasie-Patient:innen. „Uns geht es zunächst einmal darum, auf die verschiedenen Faktoren aufmerksam zu machen, die bei einer SHT-induzierten Aphasie relevant sein können“, erklärt Darkow. „EMMA ist nicht die Lösung, sondern die Sensibilisierung für die Komplexität des Themas.“ Viel wichtiger sei, auch außerhalb der Krankenhäuser zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit zu gelangen. „Im stationären Sektor ist dies bereits etablierter Standard, in der ambulanten Versorgung fehlt hingegen oft der Austausch zwischen den Kollegen aus verschiedenen Disziplinen beziehungsweise eine Koordination der Therapie im Sinne eines Case-Managements, wie wir es inzwischen etwa bei der Tumor-Behandlung kennen. Zumindest brauchen wir eine systematisierte Nachsorge, die gleichzeitig dem einzelnen Patienten mit seinen individuellen Einschränkungen und Erkrankungen gerecht werden. Mit EMMA haben wir hoffentlich einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht.“ Die Handlungsempfehlung für die Diagnostik Schädelhirntrauma induzierter Sprachstörungen ist öffentlich zugänglich unter http://www.projektemma.de/.

 

Weitere Artikel

Letzte Beiträge