Trotz der abnehmenden Bedrohung durch das Coronavirus sind viele Menschen immer noch von Langzeitfolgen wie Long- oder Post-COVID betroffen. In Deutschland wird die Zahl der Betroffenen auf etwa eine Million geschätzt, was sechs bis 15 Prozent der Infizierten entspricht. Daher waren Long- und Post-COVID und die Behandlung Schwerpunktthemen des 1. Bad Kissinger Reha-Forums am 8. Mai. Auch Dr. Cay Cordes, Chefarzt der Neurologie in der Dr. Becker Kiliani-Klinik, folgte der Einladung zu den Bad Kissinger Gesundheitswochen. „Mit 17 Kliniken auf 1,4 Quadratkilometern gibt es hier eine geballte medizinische Kompetenz. Ich habe mich gefreut, dort über unsere Long- und Post-COVID-Studie zu berichten und in den Austausch gehen zu können“, sagt Dr. Cordes. Das 1. Bad Kissinger Reha-Forum fand im Rahmen der dortigen Gesundheitswochen statt. Es bot eine Plattform für den Austausch zwischen medizinischen Fachleuten. Aber auch betroffene Patientinnen und Patienten sowie weitere Interessierte konnten kostenfrei teilnehmen. Die Stadt Bad Kissingen hatte die Veranstaltung in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Würzburg, Arbeitsgruppe Rehabilitationswissenschaften (Professor Heiner Vogel) und der Deegenbergklinik Bad Kissingen (Dr. Thomas Weiß) ausgerichtet.
Fokus auf medizinischer Forschung
Der erste Teil des Reha-Forums konzentrierte sich auf den aktuellen Stand der Post-COVID-Therapie und Rehabilitation, präsentiert von Dr. med. Kuzman-Anton, Professor Thomas Loew und Dr. Thomas Ewert. Den Auftakt des zweiten Teils machten zwei Betroffene. Darunter Jochen Vogel, ehemaliger Bürgermeister von Bad Brückenau. Er erzählte von seiner persönlichen Erfahrung mit dem Post-COVID-Syndrom. Was sich Betroffene von Rehabilitationsmaßnahmen wünschen, zeigte Birgit Birner von Long COVID Bayern e. V. auf. Die Selbsthilfegruppe ist eine Anlaufstelle für Erkrankte und berät sie. „Es ist gut, dass in einem solchen Format auch Betroffene zu Wort kommen. Das zeigt anderen, dass sie nicht alleine sind. Selbsthilfeangebote mit ganz persönlichem Kontakt sind für viele eine große Unterstützung“, sagt Dr. Cordes. Nachdem Dr. Sarah Niedermeier vom Universitätsklinikum Würzburg über die Optimierung des Reha-Zugangs und der bedarfsgerechten medizinischen Rehabilitation im Projekt POSCOR referiert hatte, schloss Cordes das Forum mit seinem Beitrag „Post COVID-Rehabilitation und die Erfahrungen aus der ASAP Studie (Assistierter Sofortiger Augmentierter Post- /Long-COVID Plan)“.
Das ASAP-Forschungsprojekt
Dr. Cordes führte als ärztlicher Leiter das Forschungsprojekt „ASAP – Assistierter Sofortiger Augmentierter Post-/Long-COVID Plan“ zusammen mit der Constructor University Bremen von Dezember 2021 bis Juni 2023 durch. „Long- und Post-COVID sind neue Erkrankungen, die noch erforscht werden müssen. Das Ziel von ASAP war es, sie schneller zu diagnostizieren und einen genauen Behandlungspfad zu erstellen, um die Versorgung der Betroffenen zu optimieren“. Betroffene leiden nach ihrer Infektion an den Spätfolgen wie Angstzustände, Konzentrationsschwierigkeiten und Luftnot. Vor allem eine anhaltende Erschöpfung, die sogenannte Fatigue, belastet viele.
Individuelle Behandlungspläne ausschlaggebend
Cordes unterstrich die Rolle der neurologischen Rehabilitation: „Unsere Erfahrungen zum Beispiel mit MS-Patientinnen und Patienten sind sehr hilfreich und einiges ist übertragbar“, so Dr. Cordes. Ein wichtiger Bestandteil des ASAP-Projekts waren die individuellen Behandlungspläne für die Teilnehmenden. Sie dienten als Grundlage für die weitere medizinisch-therapeutische Versorgung. „Die Ergebnisse haben gezeigt, wie wichtig eine individuelle und patientenzentrierte Versorgung bei Long- und Post-COVID ist“, so Cordes. Auf dem Bad Kissinger Reha-Forum traf er zwei ehemalige Patienten wieder, die ihm dies bestätigen konnten. „Strukturierte Untersuchungen bringen den Betroffenen schnell Klarheit und halten den personellen Aufwand in Kliniken und Arztpraxen geringer.“
Behandlung geht weiter, Forschung auch
„Nach wie vor behandeln wir in unserer Bad Windsheimer Reha-Klinik Patientinnen und Patienten mit Beschwerden aufgrund einer zurückliegenden COVID-Infektion. Das Thema wird uns auch in Zukunft weiter begleiten“, so Cordes. „Um die Anforderungen an die Reha zu beschreiben, hat auch die Deutsche Rentenversicherung letztes Jahr Vorgaben veröffentlicht.“ Auszüge daraus stellte er in Bad Kissingen vor. Viele der Punkte erfülle die neurologische Reha in der Dr. Becker Kiliani-Klinik bereits. Dennoch sei weitere Forschung unabdingbar. „Wir freuen uns, dass wir nun mit dem Universitätsklinikum Würzburg kooperieren und an dem Projekt POSCOR teilnehmen werden.“ Damit soll der Zugang zur bedarfsgerechten medizinischen Rehabilitation optimiert werden.
Foto: Julia Milberger