Die Behandlung des akuten Schlaganfalls hat in den letzten Jahren durch neue und verbesserte Methoden wie Thrombolyse und Thrombektomie eine Revolution erfahren. Nach der Akutphase sind die therapeutischen Möglichkeiten jedoch weitgehend auf spezielle Trainingsmaßnahmen beschränkt, die nur mäßigen Erfolg zeigen. Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) als nicht-invasive Hirnstimulation könnte die betroffenen Hirnnetzwerke nach einem Schlaganfall modulieren und neurologische Störungen über den Effekt von Trainingsmethoden hinaus lindern. Aktuelle Ergebnisse werden auf dem DGKN-Kongress für Klinische Neurowissenschaften vom 6. bis 9. März 2024 in Frankfurt vorgestellt.
Professor Christian Grefkes-Hermann, Präsident und Kongresspräsident 2023/24 der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) e.V., zeigt sich zuversichtlich: „Die Hirnstimulation wird sich in den nächsten Jahren als fester Bestandteil der Schlaganfalltherapie etablieren.“ Auch künstliche Intelligenz (KI) könnte künftig maßgeblich dazu beitragen, die Behandlungsergebnisse nach einem Schlaganfall zu verbessern.
So kann die Transkranielle Magnetstimulation die neuronale Reorganisation unterstützten
Professor Christian Grefkes-Hermann, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Frankfurt, widmet sich seit über 15 Jahren systematisch der Entwicklung innovativer Therapiemethoden zur Reduktion von Schlaganfall bedingten Behinderungen. Mit seiner Arbeitsgruppe hat er untersucht, welche Hirnregionen nach einem Schlaganfall aktiv werden und wie sich diese Veränderungen in der Netzwerkaktivität des Gehirns auf die motorische Funktionserholung auswirken. Dabei zeigte sich, dass die neuronale Reorganisation der entscheidende Faktor für die funktionelle Erholung nach einem Schlaganfall ist. Diese Reorganisation hängt sowohl von zellulären als auch von Netzwerkfaktoren innerhalb des Gehirns ab. Um die Wiederherstellung der Funktion zu fördern und den Erholungsprozess zu unterstützen, untersuchte Grefkes-Hermann systematisch die Neurostimulation mit transkranieller Magnetstimulation (TMS). „Die Kombination von bildgebenden Verfahren und Neurostimulationstechniken wie der TMS hat sehr vielversprechende Ergebnisse bei der Reorganisation neuronaler Netzwerke gezeigt“, so der Experte. Die funktionelle Bildgebung mittels MRT oder Elektroenzephalographie (EEG) macht die Hirnareale sichtbar, die am meisten von einer TMS-Neurostimulation profitieren können.(1,2)
Nach einer fokalen Läsion passen sich Hirnnetzwerke strukturell und funktionell an, um sowohl die Läsion selbst als auch ihre Fernwirkungen zu kompensieren. Die Analyse von Neuroimaging-Daten ermöglicht es, die spezifischen Beiträge einzelner Hirnareale zu diesem Prozess in vivo zu bewerten. Konnektivitätsanalysen spielen dabei eine wichtige Rolle, um die Auswirkungen des Schlaganfalls auf zerebrale Netzwerke zu untersuchen und zu verstehen, warum sich einige Patientinnen und Patienten besser erholen als andere. Hierbei werden Modelle der neuronalen Netzwerke entwickelt, die den motorischen und kognitiven Prozessen im Gehirn zugrunde liegen. Dieses Wissen kann dazu beitragen, Behandlungsmethoden individuell zu optimieren.
Individualisierte Schlaganfall-Therapie durch künstliche Intelligenz
Durch die Nutzung einer stetig wachsenden Menge an patientenbezogenen Daten mithilfe der künstlichen Intelligenz (KI) können Algorithmen-basierte Ergebnisvorhersagen zum individuellen Verlauf eines Schlaganfalls berechnet werden. Das gilt für Schlaganfall-Patientinnen und Patienten im akuten aber auch im chronischen Stadium.
Die Präzisionsmedizin profitiert zunehmend von immer genaueren KI-Ansätzen, die Faktoren offenlegen, welche eine schnelle Regeneration oder einen komplizierten Verlauf begünstigen können. „Diese Informationen ermöglichen es, die Therapien individuell anzupassen und die Rehabilitationszeit zu verkürzen, ohne dabei Abstriche bei den Behandlungsergebnissen machen zu müssen“, wie Grefkes-Hermann erklärt. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in Kombination mit neurophysiologischen Daten oder Neuroimaging könnte zukünftig maßgeblich dazu beitragen, die Behandlungsergebnisse nach einem Schlaganfall zu verbessern. „Ein Sprung in die Präzisionsmedizin mit maximal individualisierten Therapieansätzen steht bevor“, so die Prognose von Grefkes-Hermann.
Die vollständige Pressemappe mit allen Texten zum Kongress und einen Video-Mitschnitt der Pressekonferenz finden Sie hier.