Ein Mensch mit Dauerbeatmungsbedarf … 20 Rezepte (Verordnungen) im Monat ?
Vorschlag zur effizienten Reduzierung von Bürokratie und Belastung bei chronisch kranken Menschen.
Problemstellung: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zur Versorgung mit Hilfsmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung eine vertragsärztliche Verordnung nicht generell erforderlich. Dies wird in § 33, Abs. 5a und b, SGB V seit zehn Jahren ausdrücklich klargestellt. Für chronisch kranke, multimorbide oder schwer behinderte Menschen wäre eine Art automatische Folgeverordnung eine immense Erleichterung, denn zur Zeit müssen sie oder ihre Angehörigen bis zu 20 verschiedene „Rezepte“ monatlich besorgen, um ihren Bedarf an zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln aus den vielen Produktgruppen (PG 01, 02 12, 14, 21, 29, z. B. Tracheal-Kanülen, Schlauchsysteme, Absaugkatheter, Sensoren, …) sicher zu stellen. Dies belastet aber auch die verordnenden Praxen, die Hilfsmittel-Leistungserbringer und die Pflegefachkräfte. Die Diagnose ändert sich nie, aber das umständliche Procedere bleibt ein Leben lang. Im schlimmsten Fall muss jeder einzelne Artikel, der wiederkehrend benötigt wird, erneut rezeptiert werden! Würden nicht so viele Leistungserbringer in Vorleistung treten und ohne Rezept vorab liefern, wäre die medizinische Versorgung der Patienten ohnehin gefährdet. Oder: was würde in der Praxis passieren, wenn die Leistungserbringer sich vertraglich korrekt verhalten und erst nach Rezepteingang und/oder Genehmigung liefern?
Eine Bundestagsdrucksache aus 2012, S. 25, (Anlage) fasst es zusammen: „Mit der Beschränkung des Verordnungserfordernisses … auf die Fälle, in denen eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung aus medizinischen Gründen zwingend geboten ist, werden die Versicherten, ihre Angehörigen, die Vertragsärztinnen und -ärzte sowie die Leistungserbringer von bürokratischem Aufwand entlastet und die Versorgungsprozesse vereinfacht. Ein Verzicht auf die vertragsärztliche Verordnung kann auch bei dauerhaft benötigten zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln in Betracht kommen.“
Die Versorgungsrealität sieht auch nach zehn Jahren anders aus: Zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung wird den Krankenkassen … die Möglichkeit eingeräumt, … eine vertragsärzliche Verordnung auch dann zu verlangen, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen mit den Leistungserbringern die Versorgung genehmigungsfrei erfolgen kann. Inwieweit für die Durchführung und Abrechnung der Versorgung eine vertragsärztliche Verordnung erforderlich ist, wird … in den Verträgen zu regeln sein.“
Zur Zeit basiert die Vorgehensweise der Kostenträger auf den bestehenden Verträgen, welche diesen regelmäßigen Rezeptierungszwang als Kontrollinstrument über die Notwendigkeit der Versorgung nutzen. Hier werden auch massiv Ressourcen der Kostenträger verschwendet, denn sie müssen ja jeden einzelnen Vorgang administrativ prüfen und freigeben. Neben der zusätzlichen Anforderung entsteht dem Kostenträger durch den erneuten Arztbesuch ein monetärer Aufwand, welcher für die Untersuchung anfällt. Diese vermeidbaren Kosten fallen letztendlich auf die Solidargemeinschaft aller Versicherten zurück. Aktuell resultieren ca. 2/3 aller Verordungen bei Patienten aus den Anforderungen für den weiterführenden Hilfsmittelbedarf/ Folgeverordnungen.
In der Pandemiezeit wurde die Folgeversorgung ohne erneute Rezeptierung durch die Sonderverordnung zu Coronamaßnahmen (Anlage) bereits erfolgreich praktiziert. Mit Auslaufen dieser Regelungen ziehen sich die Kostenträger auf ihre vertraglich geregelten Grundlagen zurück. Eine patientennahe Lösung und Entbürokratisierung wird dem enormen Fachkräfte- und damit Ressourcenmangel bei allen beteiligten Instanzen massiv kompensieren. Diese „Verwaltungsverschlankung für chronisch kranke und behinderte Menschen“ wurde überdies bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Daher fordern wir: Eine gesetzliche Verankerung oder verbindliche Empfehlung zur Beschreibung von „nicht“ Notwendigkeit von Folgeverordnungen bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln bei gleichbleibender Therapie und Diagnose. Dies könnte auch mit der dauerhaften Umsetzung der letzten COVID-Verordnung geschehen.