Der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland e.V. (ABiD) fordert eine verbindliche Gesetzesregelung über bundeseinheitliche Nachteilsausgleiche für behinderte Schüler und Studierende. Derzeit sind für Universitäten, Fachhochschulen, berufliche und allgemeinbildende Schulen in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen getroffen. „Zudem fehlt es an einem festgeschriebenen Anspruch“, so der ABiD-Sozialberater Dennis Riehle. Junge Menschen mit Handicap haben insofern kein einforderbares Anrecht darauf, in Schule, Studium oder Ausbildung ihrer Behinderung entsprechend ausgestaltete Erleichterungen zu erhalten. „Man ist vielerorts auf die Gutmütigkeit der Prüfungsämter, Schulleitungen oder Klassenkonferenzen angewiesen, weil viele (Hoch-)Schulgesetze nur sehr dürftige Anforderungen an etwaige Ausgleiche formulieren und teilweise gänzlich fehlen. Hier müssen Bundesrat und die Landesparlamente entsprechend nachschärfen. Denn es muss verlässliche und vergleichbare Entlastungen für behinderte Schulbesucher geben, damit Chancengerechtigkeit hergestellt ist und sich jeder darauf berufen kann.“ Momentan gewährten die Bildungseinrichtungen in Deutschland zumeist längere Bearbeitungszeiten für Klausuren oder Hausarbeiten, ausgedehntere Pausenzeiten oder größere Flexibilität bei der Benotung. „Bei behinderten Schülern und Studierenden mit einem erhöhten Betreuungsbedarf können persönliche Assistenzen im Unterricht zugelassen werden. Daneben hätten betroffene Kinder das Recht, bei notwendiger Medikamenteneinnahme während der Schulstunde zu essen und zu trinken oder gegebenenfalls Vitalwerte zu messen.“ Vielfach seien dies aber lediglich „Kann-Bestimmungen“, auf die sich weder Eltern, Lehrende, noch Schüler im Zweifel gerichtsfest einstellen könnten. „Hier weisen die derzeitigen Paragrafen noch ganz erhebliche Defizite auf. Wir fordern zudem eine Partizipation der Betroffenen. Letztlich kann eine Lehrerkonferenz nicht adäquat darüber befinden, welchen Förderbedarf ein behinderter Schüler hat. Orientieren wir uns am Schwerbehindertenrecht, weiß jeder, welche Leistungen ihn bei einem gewissen Grad der eigenen Beeinträchtigung zustehen. Es wäre beispielsweise eine Idee, in der Versorgungsmedizinischen Verordnung auch berufliche, schulische und bildungsbezogene Ausgleichsmaßnahmen festzulegen und abzustufen beziehungsweise bestehende Regeln weiter zu konkretisieren“, so Riehle. Beim ABiD meldeten sich laut einer Pressemeldung zuletzt wiederholt Studierende und Eltern von behinderten Schülern mit der Bitte um Auskunft über Ansprüche: „Da können wir bis jetzt auch nur sagen, dass man auf das Wohlwollen der einzelnen Universität und der Schule angewiesen ist. Eine unbefriedigende Situation für alle Seiten, zumal nach unserer Sicht auch noch immer eine große Unsicherheit im Bildungswesen besteht, wie mit Menschen mit Handicap überhaupt umgegangen werden soll. Hier braucht es mehr Selbstbewusstsein der Verantwortlichen, was nicht zuletzt dadurch entwickelt werden kann, dass gesetzliche Vorgaben Klarheit schaffen. Zwar kann Inklusion nicht allein durch Vorschriften und Justiz vorgegeben werden, allerdings sind sie ein orientierendes Mittel, um die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention bundesweit zu normieren.“