Die Eingliederungshilfe für beeinträchtigte Kinder im Zusammenspiel mit dem Kita- Zukunftsgesetz RLP kann nur mit guten Konzepten und solider Finanzierung gelingen.
Das Kita-Zukunftsgesetz (KiTaG) Rheinland-Pfalz (RLP) in Verbindung mit dem geänderten Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll Inklusion in allen Kindertageseinrichtungen (Kita) für Kinder mit Beeinträchtigungen gewährleisten. Damit soll ein Systemwechsel eingeleitet werden: Der inklusive Ansatz geht davon aus, dass alle Kinder, auch jene mit bestehender oder drohender Behinderung, zunächst Kinder sein sollen. Rein theoretisch kann dieser Ansatz einen Schritt nach vorne für die Inklusion bedeuten. Damit auch die praktische Umsetzung gelingen kann, braucht es gute Konzepte, wie das bewährte Kita-Modell von nestwärme e.V. Deutschland, aber auch eine solide Finanzierung, die auf der Basis des SGB IX den vollumfänglichen Teilhabebedarf der Kinder abdeckt.
Ziel des BTHG ist es, Kindern mit besonderen Bedarfen den Besuch einer Kita vollumfänglich zu ermöglichen. Dabei müssen sowohl die strukturellen als auch die personellen Ressourcen vorhanden sein, um diese Teilhabe von beeinträchtigen Kindern zu sichern. Der therapeutische und psychologische Bedarf von Kindern mit Beeinträchtigungen muss durch ein interdisziplinäres Team innerhalb der Kita abgedeckt werden. Die ganzheitliche, auf das Kind gerichtete Hilfe muss hier stets im Vordergrund stehen. „Wir freuen uns zwar, dass das Thema Eingliederungshilfe in neuen Gesetzgebungen immer mehr Berücksichtigung findet. Wir kennen jedoch auch die Problematik der Umsetzungsmöglichkeiten mit Einzelassistenten nur zu gut. Die nestwärme Kita beispielsweise arbeitet mit einem qualifizierten Team von 15,75 Vollzeitkräften das dem Anspruch von 11 beeinträchtigten Kindern in fünf Gruppen mit insgesamt 51 Kindern von 7 bis 17 Uhr gerecht wird. In unserem inzwischen bundesweit ausgezeichneten inklusiven Kita-Konzept ist eine pauschalierte dauerhafte Personalisierung für die Inklusionskinder berücksichtigt, sodass wir die gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderungen durch ein entsprechend ausgebildetes multiprofessionelles Team bieten können. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels gewährleisten wir damit sowohl eine gute fachpersonelle Abdeckung als auch eine angemessene Betreuung“, so Elisabeth Schuh, Mitgründerin und 2. Vorsitzende von nestwärme e.V. Deutschland und Geschäftsführerin der nestwärme gGmbH. „Ich fürchte die Zerschlagung sinnvoller Strukturen, die die Qualität der Betreuung aller Kinder, besonders aber die der Inklusionskinder, deutlich verschlechtert.“
Bereits jetzt erleben viele Eltern aufgrund von mangelnden Integrationshelfern, dass ihre Kinder nicht regelmäßig oder ganztägig eine Kita besuchen können. Damit einher geht die Gefahr der Entwicklungsverzögerung der Kinder, ein Qualitätsverlusts in der Betreuung und die Überforderung der Eltern.
Doch auch auf der institutionellen Seite der Kitas bringt der Fachkräftemangel Probleme und Überforderungen mit sich: Die Einrichtungen haben nicht ausreichend Zeit, die Mitarbeitenden auf die Veränderungen, wie zusätzliche Bürokratie, Arbeiten in interdisziplinären Teams sowie auf medizinische und heilpädagogische Sachkenntnisse vorzubereiten und entsprechend zu schulen. Viele Kita-Leitungen befürchten dadurch einen Qualitätsverlust. So auch die Leitung der inklusiven Kinderkrippe Gertrud Dewald aus Trier: „Anstelle von einer generellen Pauschalisierung für alle Inklusionsplätze sollen in Zukunft entsprechend dem individuellen Bedarf eines jeden Kindes Stundenkontingente flexibel aufgesattelt werden. Die Qualität eines inklusiven Konzepts hängt von der Qualität des gesamten Teams ab. Ein deutlich kleineres Stammteam, welches je nach Bedarf vorübergehend um verschiedene, oft gering qualifizierte Integrationshilfen aufgestockt wird, wird zwangsweise zur Senkung der Qualität unserer Arbeit führen. Der Personalkörper müsste ständig angepasst werden. Dies lassen weder Fachkräftemangel noch das Arbeitsrecht zu. Mitarbeitende bewerben sich nicht auf befristete Verträge, wenn zudem das Vertragsvolumen ständig variiert.“
nestwärme e.V. Deutschland setzt mit ihrem inklusiven Kita-Konzept genau an diesen Stellschrauben an. „Wir verfolgen das Ziel, jedem Kind die bestmögliche Betreuung zu geben, damit die Kinder nach ihrem individuellen Tempo Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln können“, so Elisabeth Schuh. Ein besonderer Fokus liege dabei auf der ganzheitlichen Begleitung der Kinder durch ein Team von pädagogischen, heilpädagogischen, therapeutischen und pflegenden Fachkräften, bei denen besonders ein gutes soziales Miteinander, die „Herzensbildung“, im Vordergrund stehen. Dafür setze das Konzept übergreifend qualifizierte Mitarbeiter:innen (Erzieher:innen, Pflegekräfte, Therapeut:innen, Sozial- und Heilpädagog:innen etc.) für alle Kinder ein und verzichtet bis auf wenige Ausnahmen auf Einzelassistenz für Kinder mit Behinderungen. Damit schafft die inklusive nestwärme e. V. Kinderkrippe bestmögliche Perspektiven für die Entwicklung, Bildung und Gleichberechtigung sowie für ein selbstbestimmtes Leben und die Chancengleichheit aller Kinder, egal ob mit oder ohne Behinderung. Das Konzept sei laut Elisabeth Schuh ein gutes Beispiel für eine funktionierende Inklusion ohne individuellen Mehraufwand und könne sowohl den Kindern als auch den Einrichtungen zugutekommen. „Wir appellieren daher an die Politik, eine Pauschalfinanzierung für Inklusionsplätze auch weiterhin zu ermöglichen, damit jedes Kind die Betreuung erfahren kann, die ihm zusteht“, fasst Elisabeth Schuh zusammen.