Eine besondere Einrichtung feierte einen besonderen Geburtstag: Das Hegau-Jugendwerk (HJW) in Gailingen wurde anlässlich seiner 50-Jahr-Feier Mitte März in der Hochrhein-Halle in Gailingen von allen Festrednern hoch gelobt, denn es ist nicht nur eine Modelleinrichtung, sondern auch einzigartig in der Bandbreite ihres Angebots für Kinder und Jugendliche, die an einer neurologischen Erkrankung leiden – sei sie angeboren oder erworben.
Kein Wunder also, dass HJW-Geschäftsführer Bernd Sieber, zugleich Vorsitzender der Geschäftsführung des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN), in seiner Begrüßung von einem „Juwel im Diadem des GLKN“ sprach. Ein Festakt in Zeiten der Pandemie ist mutig, so Sieber. Doch mutig war das HJW schon immer wie ein Blick auf seine (Entstehungs)Geschichte zeigt. Die erste Initiative kam vom damaligen Arbeits- und Sozialminister Walter Hirlinger, das Konzept für das HJW lieferte Prof. Friedrich Schmieder. Ein Trägerverein machte das Modellprojekt möglich, das als Pionier in der neurologischen Jugend-Reha gilt – und bis heute in seiner Form bundesweit unerreicht ist.
Das sah auch Manne Lucha so, der Sozialminister des Landes Baden-Württemberg gratulierte mittels Videobotschaft und erklärte: „Das Hegau-Jugendwerk ist einzigartig und vorbildlich; das ist Reha auf ganz hohem Niveau“. Er versprach, dass sich das Land auch weiterhin für die Teilhabe und Chancengleichheit von beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen einsetzen wird. Das freute Landrat Zeno Danner, der im HJW ein „Leuchtturm“ – einer der weit ins Land hinaus strahlt. Claus Moldenhauer, seit 30 Jahren im Trägerverein engagiert, gratulierte als stv. Vorsitzender im Namen des Vereins und lobte das stets partnerschaftliche Miteinander als Basis für die gute Entwicklung der Einrichtung.
Gailingens Bürgermeister Dr. Thomas Auer betonte, dass das Hegau-Jugendwerk aus dem Ort nicht wegzudenken sei. Zusammen mit den Schmieder-Kliniken sei es ein fester Bestandteil des Gesundheitsstandorts Gailingen. Alt-Bürgermeister Heinz Brennenstuhl lobte als Vorsitzender des Fördervereins Hegau-Helden die „segensreiche Einrichtung“ und versprach, der Förderverein werde das Jugendwerk weiterhin tatkräftig unterstützen, denn vieles macht erst der Förderverein möglich.
Unterstützung in Form einer großzügigen Spende kam von Dr. Dagmar Schmieder. Sie brachte einen Scheck über 8.000 Euro mit, den die Kaufmännische Direktorin Barbara Martetschläger, die den Festakt gekonnt moderierte, gerne entgegen nah. Dagmar Schmieder erinnerte sich an den steinigen Weg des HJWs, ihr Vater Dr. Friedrich Schmieder war bei der Gründung des Fördervereins dabei gewesen und sie freute sich, dass das Hegau-Jugendwerk zu einer solchen Erfolgsgeschichte wurde. Das war nur dank der Pionierleistung vieler Mitarbeiter möglich – ein solcher Pionier im Bereich Schluckstörung ist Dr. Paul Diesener, der eine Grußbotschaft mittels Video schickt.
Einen eindrucksvollen Rückblick auf die 50-jährige Geschichte des HJW gab Roland Sing, langjähriger Vorsitzender des Trägervereins und langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender. Er verband seine Rückschau mit dem Blick in die Zukunft und zeigte Perspektiven auf. Die Grundidee, Kindern und Jugendlichen eine neurologische Rehabilitation aus einer Hand anzubieten, nannte er „revolutionär“. Das HJW bietet medizinische, berufliche und schulische Rehabilitation, über 40 Lehrer arbeiten an der Wilhelm-Bläsig-Schule, die damit die größte Krankenhausschule Deutschlands ist. Als Zukunftsperspektive nannte er die Digitalisierung, der Ausbau der integrierten Versorgung, also der Verzahnung von stationären und ambulanten Angeboten, der Ausbau von ambulanten Spezialleistungen und von Beratungsstellen zum Beispiel für Hilfsmittel und Wohnberatung und der Schaffung weiterer Möglichkeiten der Unterbringung von Familienangehörigen auf dem HJW-Campus, denn die familiäre Bindung ist ein wichtiger Teil des Heilerfolgs ist sich Sing sicher.
Sing bekam aus Händen der kfm. Direktorin Barbara Martetschläger und Konrektor Jörg Rinninsland als erster die ganze HJW-Geschichte in Form eines 384 Seiten starken Buchs „50 Jahre Hegau-Jugendwerk: 1972-2022“ überreicht. Rinninsland hatte die Chronik konzipiert, war Redakteur und Herausgeber – er hat damit der „Wunderblume“ HJW ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Wie wichtig die Familie für die jungen Rehabilitanden ist, zeigte sich auch anhand des Beispiels des jungen Patienten Justin Letzer, der sich gemeinsam mit seiner Mutter den Fragen von Chefärztin Dr. Corina Kiesewalter stellte. Sehr eindrücklich zeigte sich anhand seines Schicksals was eine Rehabilitation im Hegau-Jugendwerk bewirken kann. Er hatte einen Motorradunfall als Beifahrer mit einer schweren Kopfverletzung, sein Überleben war zunächst ungewiss. 14 Monate war er im HJW zur Reha und musste vieles erst wieder neu erlernen. Sein altes Leben wird er nicht mehr aufnehmen können, aber er lernte in der Reha wieder selbstständig zu werden und hat dank der Berufstherapie eine neue berufliche Perspektive entwickeln können. Er wird nicht mehr vollständig gesund, aber er ist ein Kämpfer, ist hoch motiviert und hat seinen Optimismus nicht verloren; er wird sein Leben meistern, leidet also nicht unter seinem Unglück.
Daran knüpfte der Festvortrag von Bestseller-Autor Prof. Wilhelm Schmid an. Der Philosoph, der die Lebenskunstphilosophie begründet hat, ging in seinem Impulsvortrag – passend zu den Schicksalen, die im Hegau-Jugendwerk, eine neue Perspektive finden – der Frage nach „Was bleibt vom Glück, wenn das Leben schwierig wird?“. Doch was ist Glück überhaupt? Vieles im Leben ist Zufall, auch das Glück. Zufälle lassen sich nicht verhindern, sie anzunehmen ist die Kunst. Es gibt auch das „Wohlfühlglück“, das meint nicht, dass man dauernd und jederzeit im Hochgefühl sein müsse. Das sei gar nicht möglich, so der Glücksforscher. Doch jeder könne für seine eigenen, ganz persönlichen Glücksmomente im Alltag sorgen, appellierte er. Um aber dauerhaft glücklich zu werden, müsse man über das Leben nachdenken und auch akzeptieren, dass es nicht nur schöne Momente im Leben gibt. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wenn ich dies akzeptieren kann, ist dauerhaftes Glück möglich. Das ist das Glück der Fülle, das Einverständnis mit dem Leben – im Positiven wie im Negativen. So gab der Lebenskunstphilosoph der großen Festgemeinde mit auf den Weg: „Machen Sie sich nicht ständig über das Glück Gedanken, sondern leben Sie einfach das Leben!“
Für das Schlussbild des Festaktes wurden alle Akteure hinter der Bühne und alle an der Organisation Beteiligten von Barbara Martetschläger auf die Bühne geholt und bekamen von Geschäftsführer Bernd Sieber mit Dankesworten eine Rose überreicht. Die Hauptorganisation des Abends lag in den Händen von Tanja Kranz, im Hegau-Jugendwerk zuständig für das Marketing. Für beschwingt-heitere Glücksmomente während des Abends sorgten die „Seesisters and Brothers“, die dem über zweieinhalb stündigen Fest den passenden musikalischen Rahmen gaben