Ein neugierig machender Titel: Gewagte Beziehungen!
Was will der Autor uns damit sagen? Welche Beziehungen sind gemeint? Etwa die Beziehung zwischen einer Banane und einer Möhre, wie auf dem Buchdeckel abgebildet? Darf man diese beiden Lebensmittel nicht miteinander vermischen und den Kindern als Nahrung verabreichen? Holm Schneider muss das ja wisen, denn er ist Kinderarzt! Ist hier also vorsicht geboten und wird das in dem Buch näher ausgeführt? Führt diese Beziehung schlimmstenfalls zu einer allergischenReaktion, die nur durch Abstinenz vermeidbar ist?
Die Beziehungen, die hier angesprochen werden sind ganz normale Beziehungen zwischen einem Mädchen und einem Jungen, zwischen einer Frau und einem Mann. Aber so ganz normal sind diese Beziehungen dann doch nicht. Ein Teil dieser Beziehungen lebt mit einer Behinderung. Und dieser Umstand macht die normale Beziehung, die schönste Sache der Welt, zu einer gewagten Beziehung.
Sechs Liebesgeschichten hat Holm Schneider aufgeschrieben, die sich mit den gewagten Beziehungen befassen:
Da lesen wir die Geschichte von der blinden Ina. Als 17- jährige Schülerin verliebt sie sich in der Blindenschule in den vier Jahre äteren Christian, der dort seinen Zivildienst leistet. Auf die Probe gestellt wurde die Beziehung als Christian z.B. sein Informatikstudium in erlangen begann und sich das Paar nur an den Wochenende gesehen hat. Auf die Probe wird die Beziehung durch andere Dingen, z.B. durch die Oma von Christian , der wichtiger ist welche Konfession Ina angehört als die Blindheit selbst. Unpassende Kommentare von Studienkollegen zieren die Beziehung: ,,’Das ist doch gar keine richtige Frau ‚, meinte ein Freund, woraufhin Christian den mit Ihm geplanten Grillabend absagt“ (S.16). nach dem Abitur ist Ina zu Christian nach Erlangen gezogen. Nachdem Ina zur Kauffrau für Bürokommunikation ausgebildet wurden, heirateten Ina und Christian und wurden Eltern von drei Kindern.
Damit drei fünfzehnjährige Jean-Pierre Erfolg bei den Frauen hat, riet ihm sein Hausarzt zum Tragen einer Perücke, denn „‚wer bei den Damen ankommen will, der muss was für sein Äußeres tun'“ (S.27). Jean-Pierre lebt mit der ektodermalen Dysplasie. Diese genetisch bedingte Erkrankung führt bei den Protagonisten zu einem sonderbaren Aussehen, wie Glatze, Notwendigkeit einer Zahnprothese oder dem nicht schwitzen können. Der Schweizer lernte in einer Bibelschule die gelernte Krankenschwester Sabine kennen und lieben. Mit Sabine reiste der mit einer Behinderung lebende Jean-Pierre nach Brasilien. Sie tat dies, weil : „‚Wer sich in Lebensgefahr begibt, tut gut dran, eine Krankenschwester mitzunehmen!'“ (S.30). In Brasilien erkrankte Jean-Pierre dann auch schwer und Sabine kümmert sich fürsorglich um ihn. Der Hochzeit folgten die Geburt eines Sohn – kerngesund – und einer Tochter, die den väterlichen Gendefekt in sich trägt, was den Mitmenschen nicht unbemerkt blieb.
Im Alter von elf Jahren erkrankte Merle an einer Hirnstammentzündung. Über Facebook lernt sie den Volkswirtschafter Thomas kennen.Beide chatten täglich und nach einem Monat traf Thomas Merle in Münster. Sechs Monate nach dem ersten Treffen verlobten sich Merle und Thomas. Thomas gab seine Arbeit bei der Spedition auf, zog zu Merle nach Bohmte und heiratete sie ein Jahr nach der Verlobung.
Bernd lebt mit dem Holt-Ora-Syndrom, „einer erblichen Kombination aus Hand- und Armfehlbildung und einem Herzfehler. Bernd lernt Kerstin kennen und lieben, beide verloben sich und heiraten. Ein wesentliches Resultat der Ehe war und ist die Geburt von Annika und David. Letzterer kam ohne Arme auf die Welt.
Dann ist da noch die Geschichte von Daniela, die mit den Folgen einer Hirnhautentzündung im Brutkasten lebt und den nicht behinderten Bernhard geheiratet hat.
Schließlich lesen wir die Geschichte von dem Sozialpädagogen Berthold und der Erzieherin Anja. Berthold lebt mit dem Tourett-Syndrom, einer Stoffwechselstörung im Gehirn, die zu kurzfristigen Kontrollverlusten führt. „Von einem ‚Kobold im Kopf‘ sprachen Betroffenen“ (S. 101). Anja und der 15 Jahre ältere Berthold heiraten in Kanada und bekamen eine Tochter.
Neufeld-Verlag
115 Seiten, 14,90 Euro
ISBN 978-3-86256-070-7