IDA bezieht Stellung

Die Interessengemeinschaft der Anbieter Außerklinischer Intensivpflege NRW e.V. nimmt Stellung zur Novellierung des Wohn- und Teilhabegesetzes in Nordrhein-Westfalen. IDA NRW e.V. hofft, dass hier auch für Menschen mit intensivpflegerischem Bedarf das selbstgewählte und selbstverantwortete Wohnen in WGs ermöglicht wird.

www.idanrw.de

Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung
des Wohn- und Teilhabegesetzes sowie
Entwurf der Verordnung zur Änderung der Wohn- und Teilhabegesetz- Durchführungsverordnung im Rahmen der Verbändeanhörung
IDA NRW e.V. ist eine Interessenvertretung, in der sich Ende 2017 fünfzehn Unternehmerinnen und Unternehmer von inhabergeführten Intensivpflegediensten zusammengeschlossen haben und die stetig durch neue Mitglieder wächst. Alle Mitgliedsunternehmen sind in verschiedenen Berufsverbänden (bpa, LfK, DPWV, etc.) organisiert, wollen jedoch die Interessen der Intensivpflege selbst bündeln, da dies für die meisten Mitglieder in den Verbänden nicht ausreichend durch die Verbände abgedeckt ist. In diesem Rahmen wollen wir daher zum Themenbereich der Intensivpflege hier Stellung nehmen.
Ziel ist es, über die Vernetzung und den Austausch die Qualität der Intensivpflege zu sichern, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen und sich aktiv für die Bedarfe der Zielgruppe zu engagieren. Den betroffenen Menschen werden auf der Webseite des Vereins über die Pflegelandkarte die Angebote zugängig gemacht und die Orientierung bei der Auswahl eines ambulanten Dienstes erleichtert.
Alle Mitglieder haben eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung von Qualitätsstandards, einem ganzheitlichen Pflegeverständnis, der Einhaltung der Leitlinien der Fachgesellschaften und zur regelmäßigen Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter abgegeben. So soll die Lebenssituation von intensivpflegerisch betreuten Menschen verbessert werden. Ihnen soll qualifizierte Pflege und Betreuungen angeboten, die sie in die Lage versetzt auch bei hohem Hilfebedarf ein selbstbestimmtes und würdiges Leben in ihrer eigenen Häuslichkeit zu führen. Die Pflege und Betreuung in selbst- und anbieterverantworteten Wohngemeinschaften ist ein Bestandteil des Angebotes der Mitglieder von IDA NRW e.V.
Wir nehmen zur vorgeschlagenen Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes vorgelegt vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW vom 12. Juni 2018 zu Wohngemeinschaften für intensiv- und betreuungspflichtige Nutzer wie folgt Stellung.
1. Allgemeine Vorbemerkung
Wir begrüßen ausdrücklich das Vorhaben zur Novellierung des Wohn- und Teilhabegesetzes und hoffen auf einen Rahmen, der auch für Menschen mit intensivpflegerischem Bedarf das selbstgewählte und selbstverant- wortete Wohnen in Wohngemeinschaften ermöglicht, wenn sie dies für sich wünschen und die damit verbundenen Anforderungen übernehmen können und wollen.
Wir plädieren für eine differenzierte Betrachtung des Themenfeldes. Unter dem Sammelbegriff „intensivpflegerisch betreuten Menschen“ werden viele verschiedene Zielgruppen zusammengefasst. Dabei unterscheiden sich diese fundamental hinsichtlich ihrer Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Wohnen in einer Wohngemeinschaft und ihres ordnungsrechtlichen Schutzbedarfes.
2. Zielgruppen
Betroffen sind Menschen mit unterschiedlichen Vorerkrankungen. Mit unserer Stellungnahme möchten wir zu einer differenzierten Betrachtung der Zielgruppen und ihrer Bedarfe beitragen. Alle intensivpflegerisch betreuten Menschen sind neben den Verrichtungen aus der Pflegeversicherung auf Leistungen der Behandlungspflege aus der Krankenversicherung (§ 37,1 SGB V) angewiesen. Hierzu gehören u. a. die Bedienung und Überwachung des Beatmungsgerätes, das Absaugen der oberen Atemwege, Bronchiallavagen, die Pflege und der Wechsel der Bronchialkanüle. Alle Betroffenen sollten grundsätzlich in der Wahl ihrer Wohn- und Versorgungsform frei sein und nicht auf Grund ihrer Erkrankung und ihres Unterstützungsbedarfes von bestimmten Wohnformen ausgeschlossen werden. Das setzt voraus, dass ihnen ein angemessenes Angebot zur Verfügung steht, sie ausreichend Zeit zur Auswahl haben und ihnen eine neutrale unterstützende Beratung zu teil wird. So werden sie selber oder ihre Angehörigen in die Lage versetzt, die für ihren eigenen Bedarf passende Wohnform auszuwählen.
3. Regelmäßige Interaktion der Nutzerinnen und Nutzer
Mit der Einführung der Begrifflichkeit der „regelmäßigen Interaktion“ wird ein weiteres neues Kriterium zur Definition einer Wohngemeinschaft eingeführt. Sowohl der Gesetzestext als auch die Begründung versäumen es jedoch die Ziele, den Grad und die Intensität der geforderten Interaktion der Nutzerinnen und Nutzer zu spezifizieren (Nr. 17). Wir erwarten, dass es hier in der Praxis wiederum zu Unsicherheit bei den Prüfbehörden kommen wird.
4. Verschlechterung des Gesundheitszustandes
Hilfreich ist die Klarstellung, dass Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Nutzerinnen und Nutzer einer Wohngemeinschaft die Bewertung einer Angebotsform nicht beeinflussen (Nr. 17). Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, dass es bei der von uns betreuten Zielgruppe im Verlauf durchaus zu Verbesserung des Gesundheitszustandes und damit zu besseren Ressourcen für Interaktion und Selbstbestimmung kommen kann. Es ist einsichtig, dass die Verschlechterung nicht zu einem veränderten Status führen soll. Umgekehrt muss aber die Verbesserung eine Statusveränderung ermöglichen, insbesondere dann, wenn sie unter Beteiligung der Nutzerinnen und Nutzer angestrebt wird.
5. Beteiligung der Nutzerinnen und ihrer Vertreter an der Statusprüfung
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass „die tatsächliche Situation und die Gestaltung des Zusammenlebens in der Wohngemeinschaft“ (Nr. 17) eine Basis für die Abgrenzung zwischen selbstverantworteten und anbieterverantworteten Wohngemeinschaften darstellen soll. Dies lässt sich wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt wirksam nur über „Aussagen der Nutzerinnen und Nutzer sowie ihrer Vertreterinnen und Vertreter“ ermitteln. Wir stellen jedoch fest, dass bei dem vorgelegten Entwurf zu einem Ergebnisbericht zur Beratung und Prüfung für eine anbieterverantwortete Wohngemeinschaft kein einziger Punkt auf die Einbindung oder Befragung der Nutzerinnen abzielt.
In unserer Praxis haben wir bisher die Erfahrung gemacht, dass nicht einmal in selbstverantworteten Wohngemeinschaften die Nutzer/-innen in reguläre Prüfung zum Status der Wohngemeinschaft eingebunden werden. Das ist aus unserer Sicht nicht zielführend und entspricht auch in einer anbieterverantworteten Wohngemeinschaft nicht der Rolle der Nutzerinnen im Sinne der geteilten Verantwortung zwischen Nutzern, Angehörigen und Leistungserbringern.
6. Experimentierklausel
Weil sich der Charakter einer Wohngemeinschaft verändern kann und weiterhin neue Wohnformen entstehen werden, bei denen nicht der umfänglichen ordnungsrechtlichen Schutzbedarfe besteht und es auch dem Wunsch vieler Betroffener und ihrer Familien entspricht in alternativen Wohnformen gestaltend mitzuwirken, schlagen wir die Einführung einer Experimentierklausel als zusätzlichen Paragraphen vor. Ziel sollte es sein, dass Betreuungsanbieter (Träger) oder auch Nutzerinnen (bzw. deren Vertreter) einen Antrag auf Befreiung von einzelnen Anforderungen des Gesetzes und der entsprechenden Durchführungsverordnungen stellen können, wenn dies zur Weiterentwicklung bestehender oder zur Erprobung neuer Einrichtungsformen erforderlich ist. Basis sollte ein fachlich qualifiziertes Gesamtkonzept und eine klare Zielformulierung der Beteiligten sein. Hier könnte im Rahmen der Experementierklausel ein Zeitraum vereinbart werden, der gleichzeitig als Status- feststellungsverfahren für die Aufsichtsbehörde und den „Träger“ dient und somit zu einer individuellen Bewertung und Einordnung der Wohnform beiträgt.
Im Rahmen einer solchen Vorschrift wäre es auch möglich ambulante Wohnformen zu schaffen für Menschen deren Fähigkeiten zur Interaktion (noch) nicht ausreichend sind um den Anforderungen für das Leben in einer Wohngemeinschaft gerecht zu werden, wenn sie angemessen und umfänglich z. B. durch ihre Angehörigen begleitet werden.
Für den Vorstand IDA NRW e. V.
Marc Bennerscheidt, 2. Vorsitzender
Thomas Jaspers, Schatzmeister
Angela Bertling, Schriftführerin

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