Vier Städte zeigen, wie barrierefrei Kultur sein kann. Neben Selbstverständlichem, wie rollstuhlgerechten Wegen zu den Spielstätten, denken die Veranstalter hier auch an Induktionsschleifen, Tastmodelle oder Erklärungen in Gebärdensprache.
Segelregatten und Treffen der Traditionsschiffe in Rostock
Mit zwei maritimen Großveranstaltungen feiert Rostock, die Hanse- und Universitätsstadt an der Ostsee, traditionell den Sommer – und das Meer. Die Warnemünder Woche vom 2. bis 10. Juli ist eine der größten Regatten in Deutschland. Etwa 2000 Segler aus 30 Nationen messen sich alljährlich im zur Stadt gehörenden Ostseebad Warnemünde. Rollifahrer können die Wettkämpfe vom barrierefreien Strand aus beobachten. Dafür vermietet Strandoase Treichel auf Voranmeldung zugängliche Strandkörbe. An Land bieten Künstler, Musiker und Händler mit Konzerten, Trachtentreffen und Märkten ein vielfältiges Rahmenprogramm. Höhepunkt ist der Traditionsumzug „Niege Ümgang“, bei dem Teilnehmende in Trachten und geschmückten Wagen durch die Stadt ziehen.
Ein Augenschmaus für Freunde der klassischen Schiffsbaukunst ist die Hanse Sail vom 11. bis 14. August am gleichen Ort. Es ist mit jährlich bis zu 200, teilweise über 100 Jahre alten Booten eines der weltweit größten Treffen von Traditionsseglern und Museumsschiffen. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen können hier nicht nur Zuschauer sein, sondern auf dem Rollisegler „Wappen Ueckermuende“ sogar selbst in See stechen. Die Eröffnungsveranstaltung wird für Gehörlose von einem Gebärdendolmetscher begleitet. Blinde und sehbehinderte Menschen können sich über die halbstündlichen Durchsagen im Rostocker Stadthafen über das Programm und die Schiffe informieren.
Jenseits der beiden maritimen Feste lädt die Stadt jeden Sonntag von Mai bis Mitte Oktober zu Konzerten im barrierefreien Warnemünder Kurhausgarten sowie von Ende Mai bis Mitte August zum Theatersommer in die für Rollifahrer zugängliche Halle 207 ein. In der ehemaligen Schiffbauhalle der einstigen Neptunwerft sind unter anderem Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ und das Musical „Heat Wave“ mit den Hits der frühen 1980er Jahre zu sehen.
Domstufen-Festspiele und Sommerkomödie in Erfurt
In diesem Jahr, vom 15. Juli bis 7. August, steht Verdis Oper „Nabucco“ auf dem Programm. Rollstuhlfahrer erreichen das Festgelände barrierefrei. Induktive Hörschleifen verbessern das Musikerlebnis bei Hörgeräteträgern. Gehörlose können die Aufführung mittels Untertitel verfolgen. Eine weitere barrierefreie Kulturentdeckung in Erfurt ist die Open-Air-Theater-Produktion „Viel Lärm um nichts“ hinter den Mauern der Barfüßerruine, einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters. Hier ist Shakespeares Sommerkomödie vom 28. Juli bis 28. August zu erleben. In der ersten Reihe finden auch Rollstuhlfahrer Platz. Die mittelalterliche, für Rollifahrer zugängliche Krämerbrücke mit ihren Fachwerkhäusern wird vom 17. bis 19. Juni Schauplatz des Krämerbrückenfestes mit Gauklern, Artisten, Händlern und Musikern. Darüber hinaus lockt Erfurt im Sommer in seine prächtigen Gartenreiche, die seit der Bundesgartenschau 2021 um einige Attraktionen reicher sind. Highlight im nach „Reisen für Alle“ zertifizierten egapark ist das neue Wüsten- und Urwaldhaus Danakil, das Besucher mit zwei gegensätzlichen Klimazonen vertraut macht. Auf der barocken Stadtfestung Zitadelle Petersberg, die über einen barrierefreien Panoramaweg erreichbar ist, können Besucher wunderschöne Ausblicke und Ausstellungen zur Geschichte des Festungsgeländes sowie zur höfischen Gartenkunst in Thüringen genießen.
Seefestival und Gartenentdeckungen in Neuruppin
Wer Neuruppin erkundet, trifft immer wieder auf die Spuren der beiden großen Söhne der Stadt. Neuruppin gilt mit seinen breiten Straßen und stattlichen Plätzen als Musterbeispiel für preußische Stadtbaukunst. Eine räumliche Vorstellung können sich dank des Tastmodells auf dem Schulplatz auch Blinde und Menschen mit Sehbehinderung verschaffen. Wahrzeichen Neuruppins ist die für Rollstuhlfahrer zugängliche Klosterkirche St. Trinitatis am Ruppiner See mit ihren zwei markanten Türmen, die nach Schinkels Plänen restauriert wurden. Für Gehörlose werden regelmäßig Gottesdienste in Gebärdensprache angeboten. Weiter am See entlang gelangen Besucher zum barrierefreien Hotel Resort Mark Brandenburg. Vom 18. bis 28. August wird der Platz zwischen Hotel und Therme zum Spielort des Seefestivals Wustrau. Gezeigt wird in diesem Jahr Neil Simons Komödie „Ein seltsames Paar“. Ein sommerlicher Ausflugstipp ist der barrierefreie Tempelgarten, den der spätere Friedrich der Große als junger Kronprinz anlegen ließ. In dessen Zentrum steht der Apollo-Tempel, eines der ersten Werke des späteren Sanssouci-Baumeisters Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Die Wege im Park sind gut berollbar. Ein Tastmodell aus Bronze dient Menschen mit Sehbehinderungen zur Orientierung.
Stadterkundungen und Domfestspiele in Magdeburg
Während der täglichen Stadtführung, die auch für Rollstuhlfahrer geeignet ist, erleben Besucher eine Zeitreise durch die 1200 Jahre alte Geschichte der Stadt. Der nach „Reisen für Alle“ geprüfte Ort bietet darüber hinaus für Menschen mit Hörbehinderungen Führungen in Gebärdensprache oder mit dem Tour Guide-System an, um den Stadtführer besser zu hören. Für Menschen mit Sehbehinderungen gibt es einen Stadtplan in Blinden- und Großschrift. Im Sommer besonders schön sind die Stadtrundfahrten zu Wasser mit der Weißen Flotte auf der Elbe. Rollifahrer sollten sich vorher anmelden. Höhepunkt eines jeden Stadtrundgangs ist der beeindruckende Dom St. Mauritius und Katharina. Im Sommer wird der gotische Kathedralbau zur Kulisse der Domfestspiele. Vom 17. Juni bis 10. Juli zeigt das Theater Magdeburg das Musical „Rebecca“ auf dem Domplatz. Für Rollstuhlfahrer gibt es gut zugängliche Plätze.
Weitere barrierefreie Kulturangebote präsentiert die touristische Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen auf ihrer Website unter www.leichter-reisen.info/themen/kultur
Barrierefreie Unterkünfte in den Städten
Rostock
Hotel Sportforum
Radisson Blu Hotel
Erfurt
Hotel am Kaisersaal
Pulverhütte Gästehaus im egapark
Neuruppin
Resort Mark Brandenburg
Hotel & Restaurant Am Alten Rhin
Magdeburg
Maritim Hotel
Jugendherberge
Hotel Sleep and Go
Foto: Archiv Büro Hanse Sail/ Lutz Zimmermann