LiN – ein Name ist Programm

LiN – Lagerung in Neutralstellung ist ein pflege-therapeutisches Lagerungskonzept für lagerungsbedürftige Patienten. Es kommt zum Einsatz bei Patienten mit einer Erkrankung die zu einer Beeinträchtigung der Mobilität geführt hat.

Das Konzept wurde 1998 von Dr. Heidrun Pickenbrock entwickelt. Sie ist promovierte Physiotherapeutin. Einen großen Teil ihrer Doktorarbeit, machte eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte, einfach verblindete Studie aus. In dieser Studie verglich sie die Auswirkungen der Lagerung in Neutralstellung (LiN) mit konventioneller Lagerung (KON) in Bezug auf Beweglichkeit, Bequemlichkeit und ihren Einfluss auf Vitalparameter.

Woher kommt das Konzept?
Heidrun Pickenbrock arbeitete ab 1997 auf der Stroke Unit im St. Barbara Hospital in Gladbeck. Dort arbeitete sie mit schwer betroffenen Patienten und lagerte diese wie es damals im Lehrbuch beschrieben wurde. Schnell beobachtete sie, dass die Patienten im Alltag oft schief im Bett lagen, mit Armen, die weit vom Körper entfernt waren und dass sich in einigen Körperabschnitten hoher Tonus entwickelte. Sie begann, das Lagerungsmaterial anders einzusetzen, um zum Beispiel die Arme rumpfnah zu positionieren, den Rumpf zu begradigen und ihn mit Lagerungsmaterial zu stabilisieren. Sie legte großen Wert auf eine gute Positionierung der Körperabschnitte zueinander. Die Patienten sollten bequemer liegen. Durch diese Herangehensweise ergab sich ein Einfluss auf den Tonus. Die Patienten waren häufig beweglicher.
Zusammen mit anderen Therapeuten und Pflegenden analysierte sie ihre Beobachtungen und den positiven Effekt für die Patienten. So konnten die zunächst in der Rückenlage beobachteten positiven Effekte auch auf andere Positionen übertragen werden. Aus diesen Beobachtungen und Diskussionen entstand LiN – Lagerung in Neutralstellung.

Was bedeutet das: Neutralstellung?
Bei LiN werden die Körperabschnitte so weit wie möglich in Neutralstellung positioniert. Was aber genau ist die Neutralstellung? Um im medizinisch-therapeutischen Bereich die Stellungen der Gelenke besser dokumentieren zu können, gibt es die Neutral-0-Methode. Sie dient dazu, vom definierten 0-Punkt aus das Bewegungsausmaß eines Gelenkes in Gradzahlen zu messen. Man unterscheidet unterschiedliche Richtungen, in die sich Gelenke bewegen, zum Beispiel beugen (Flexion) oder strecken (Extension), sich abspreizen (Abduktion) oder kreuzen (Adduktion) und sich einwärts (Innenrotation) oder auswärts drehen (Außenrotation). Jedes Bewegungspaar hat als Startpunkt die 0 Grad. Von dort aus bewegt sich das Gelenk entweder in die eine oder in die andere Richtung. In dieser Nullstellung sind die Muskeln rund um das Gelenk weder gedehnt noch verkürzt. Bei LiN werden die Körperabschnitte möglichst in einer Position zwischen Beugen und Strecken, Abspreizen und Kreuzen, Innen- und Außenrotation, das heißt in Neutralstellung positioniert. Beim aufrechtstehenden Menschen befinden sich die Gelenke in der Neutralstellung. Bei LiN stellt sich derjenige, der die Positionierung vornimmt, einen stehenden Menschen vor und überträgt dieses Bild auf die Position. Damit die Körperabschnitte in der Neutralstellung bleiben, werden sie stabilisiert und die Hohlräume mit Lagerungsmaterial gefüllt. Dazu werden Steppdecken und Kissen (alltagsübliches Lagerungsmaterial) verwendet. So passt sich, letztendlich die Unterlage an die individuelle Körperkontur an und die Neutralstellung bleibt erhalten. Diese Herangehensweise ist auf alle bekannten Positionen anwendbar, wobei, abhängig von der Position, zum Beispiel Beine angebeugt werden. Die üblichen Lagerungsprinzipien wie Indikationsstellung, Lagerungsintervalle und Positionswechsel bleiben bestehen.

Mehr als bequemes Liegen
In zwei Studien konnten Vorteile für LiN verglichen mit konventioneller Lagerung nachgewiesen werden. Durch die Herangehensweise bei LiN liegen die Patienten bequemer. Überdehnte Muskulatur und teilweise damit verbundene Schmerzen bleiben aus. Außerdem vergrößert sich die Auflagefläche, da Hohlräume ausgefüllt sind. Dadurch entsteht eine bessere Druckverteilung. So konnte Heidrun Pickenbrock in einer Untersuchung an gesunden Probanden zeigen, dass im Vergleich zur konventionellen Lagerung im Bereich der Spitzendrücke nur halb so viel Druck erzeugt wurde. Das spielt bei der Dekubitusprophylaxe eine wesentliche Rolle. Außerdem verbessern sich die Beweglichkeit der Hüften und Schultern bereits nach zwei Stunden signifikant. Ebenso sprechen die zahlreichen persönlichen Erfahrungen und Rückmeldungen von Anwendern und Patienten für das Konzept.

Eine bessere Druckverteilung entsteht durch das Ausfüllen von Hohlräumen, was wiederum die Auflagefläche vergrößert.

Mit dem arbeiten, was da ist
Durch die Verwendung von alltagsüblichem Lagerungsmaterial entfallen hohe Kosten. Eine teure Anschaffung von Speziallagerungsmaterial ist nicht notwendig. Dadurch entsteht der Vorteil, dass mit Materialien gearbeitet werden kann, die bereits in den Kliniken und zu Hause vorhanden sind. Für die zwei Techniken Stopfen und Modellieren, die für die Stabilisierung der Körperabschnitte in Neutralstellung angewendet werden, eignen sich Steppdecken und Kissen am besten. Sie geben dem Patienten ausreichend Halt und Stabilität. Im Wesentlichen werden je nach Körpergröße des Patienten mindestens drei Steppdecken, zwei große und ein kleines Kissen benötigt.


Durch die Herangehensweise bei LiN liegen die Patienten bequemer.

Die Empfehlung aus der Praxis
Die Autoren empfehlen die Anwendung des Konzeptes für jeden schwerbetroffenen Patienten der seine Position nicht selbstständig einnehmen oder verändern kann.
Für weitere Informationkann man sich an den gemeinnützigen Verein LiN-Arge e.V. wenden. Dieser Verein möchte LiN verbreiten, weiterentwickeln und wissenschaftlich weiter untersuchen. Die Mitglieder sind Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte, Altenpflegerinnen und -pfleger, Physiotherapeutinnen und – therapeuten sowie Ergotherapeutinnen und -therapeuten. Hier informiert man auch gerne über die verschiedenen Möglichkeiten LiN – Lagerung in Neutralstellung zu erlernen.
Literaturverzeichnis liegt dem Verlag vor.