„Nicht zu fassen. Jetzt müssen wir auch noch für unsere Selbsthilfe betteln gehen“, war der erste Gedanke, als Christiane Hüppe (pflegende Angehörige und Vorstandsmitglied) Ende März den Brief der Krankenkassen öffnete. Es war der Ablehnungsbescheid der Kassen zum Antrag auf Pauschalförderung des Landesvereins wir pflegen – Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger in Niedersachen.
„Das mussten wir erstmal sacken lassen“ sagt Hüppe. „Als pflegende An-und Zugehörige leisten wir 84 Prozent aller Pflege in Niedersachsen – ohne Entgelt, oft rund um die Uhr, mit wenig Wertschätzung und meist viel zu wenig Entlastung. Wir sparen der Gesellschaft und den Kassen Milliarden. Und die verweigern uns noch Zuschüsse, um unsere Selbsthilfeaktivitäten in Niedersachsen zu entwickeln. Das können die Angehörigen nur als Ohrfeige für ihre Arbeit werten.“
„Mit der Ablehnung der Förderung weigern sich die Krankenkassen, die oft extremen emotionalen, psychischen, körperlichen und gesamtgesundheitlichenBelastungen der Angehörigen anzuerkennen. Sie argumentieren, dass die Maßnahmen unseres Vereins zur Prävention der Überbelastung nicht förderfähig sind“, erklärt Silvia Kaes, selbst pflegende Angehörige und Mitglied des Landesvorstands. „Pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen sind es leider schon gewohnt, dass individuelle Anträge auf Entlastungsleistungen zunächst meist abgelehnt werden. So werden wir gezwungen, Widerspruch einzulegen. Dass vielen dazu die Kraft und das Know-how fehlt, spart den Kassen viel Geld.“
„Aber es ist schon peinlich, dass die Krankenkassen nun auch den Selbsthilfeorganisationen der pflegenden Angehörigen, die unbezahlt den Löwenanteil der gesellschaftlichen Pflege leisten und jahrelang selbst Beiträge an die Krankenversicherung bezahlt haben, nun sogar Förderung ihrer Selbstinitiativen verweigern.“
Die Entscheidung findet auch in der Politik wenig Verständnis.
Im Rahmen des Fachtags „Mit uns, nicht über uns: Häusliche Pflege stärken“ am 3. Mai 2024 in Hannover bestätigten die Landtagsabgeordneten und Mitglieder des Sozialausschusses Dr. Tanja Meyer (B90/Die Grünen), Andrea Prell (SPD) und Jan Bauer (CDU) ihre parteiübergreifende Unterstützung des Landesvereins wir pflegen in Niedersachsen.
Alle Politikerinnen und Politiker waren sich einig: „Die Herausforderungen der Pflegeversorgung sind groß, wir können sie nur gemeinsam meistern. Pflegende Angehörige benötigen Strukturen zum Austausch und zur Selbsthilfe und um ihre Stimmen als gleichberechtigte Partner in der Pflege in alle Pflegegremien des Landes, der Regionen und Kommunen einzubringen.“ Sie bestätigten, dass dazu auch eine angemessene Finanzierung des Landesvereins wir pflegen in Niedersachsen gehört und sie sich gemeinsam dafür einsetzen werden.
„Der Landesverein hat Widerspruch eingelegt. Wir nehmen das nicht einfach hin“, fügt Sebastian Fischer aus dem Landes- und Bundesvorstand hinzu. „Schon gar nicht, weil andere Bundesländer bereits seit einigen Jahren Landesvereine der pflegenden Angehörigen gemäß § 20h SGB V fördern. Dass dies länderunterschiedlich gehandhabt wird, ist traurig und nicht gerechtfertigt und nachvollziehbar. Gleichzeitig sind wir dankbar, dass wir trotz aller Rückschläge gelegentlich auch positive Unterstützung erfahren – so zum Beispiel von der Techniker Krankenkasse in Niedersachsen, die unseren Fachtag mit Projektförderung unterstützte, und von der Barmer, die mit uns ins Gespräch kommen will.“