Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Phase F e.V, der Dachverband von Einrichtungen, die Menschen mit Schädel-Hirnverletzungen langfristig versorgen, hat eine Stellungnahme zum Referentenentwurf des Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetzes (RISG) veröffentlicht:
Wir beziehen uns in dieser Stellungnahme ausschließlich auf den stationären Bereich der Phase F der neurologischen Rehabilitation (Menschen mit erworbenen Hirnschäden bzw. im sogenannten „Wachkoma“). Die Sichtweise der Anbieter der außerklinischen Intensivpflege im ambulanten Bereich ist bereits mehrfach beschrieben worden. Wir stellen jedoch fest, dass es auch im stationären Bereich noch Klärungsbedarf gibt.
Ein Anliegen der Bundesarbeitsgemeinschaft Phase F ist, dass beatmete Menschen nicht ohne Versuch und Prüfung einer möglichen Beatmungsentwöhnung aus dem Krankenhaus entlassen werden. Eine konsequente Umsetzung des RISG könnte zu einer Reduzierung beatmeter Menschen in der außerklinischen Versorgung führen. Weiter sehen wir, dass das Wahlrecht der Versicherten bezüglich der Unterbringung gemäß § 37c Abs. 2 Satz 2 nicht, wie von anderen Leistungserbringern befürchtet, beschränkt wird. Ausnahmen diesbezüglich werden weiter zugelassen. Zutreffend wäre dieses am ehesten für Patienten und Patientin-nen, die tatsächlich kein Weaning-Potenzial haben, wie Betroffene mit ALS, mit anderen schweren degenerativen Muskelerkrankungen oder hohen Querschnittslähmungen.
Da sich unser Verein mit der weiteren Betreuung von Menschen mit erworbenen Hirn-schädigungen auseinandersetzt, muss aus unserer Sicht auf diese Betroffenengruppe noch gezielter eingegangen werden. Die Frage ist, ob die bisher für diese Personen relevanten Teile des Gesetztes in der praktizierten Form bestehen bleiben und somit auch der nichtplanbare Interventionsbedarf entsprechend § 1 Abs. 6 HKP-Richtlinie.
Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen sind aufgrund von Schluckstörungen in der Regel tracheotomiert. Damit fallen sie unter den neuen § 37c. Eine Dekanülierung kann oft erst nach einem langen multiprofessionellen Rehabilitationsprozess in der außerklinischen Versorgung erfolgen. Bisher ist der nicht planbare Interventionsbedarf die Anspruchs-grundlage für die Finanzierung der Behandlungspflege. Wichtig erscheint uns, dass der Anspruch der Versicherten auf außerklinische Intensivpflege auch dann bestehen bleibt, wenn bei dieser Personengruppe eine Dekanülierung und der Verschluss des Trache-ostomas erfolgreich durchgeführt werden konnten. Denn die Schluckstörung mit einem nicht planbarem Interventionsbedarf und Schwerstpflegebedüftigkeit mit (eingeschränktem) Reha-bilitationspotenzial bleiben weiter bestehen. Hierauf nicht einzugehen würde weiter dazu führen, dass die Menschen ambulant wie stationär mit einer Trachealkanüle versorgt bleiben, weil sonst die Finanzierung der Betreuung entfällt und die Sozialhilfe droht. Ziel muss sein, Finanzierungsbrüche in der Versorgung dieser Personengruppe zu vermeiden. Somit sollte der Kreis der Anspruchsberechtigten auch auf Menschen mit bestehender hochgradiger Dysphagie nach Dekanülierung erweitert werden. Das Ziel der Langzeitrehabilitation in der Phase F bleibt die Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung von Krankheitsfolgen.
Der Referentenentwurf fördert zwar eindeutig die geriatrische Rehabilitation, eine notwendige und zwingend durchzuführende neurologische Rehabilitation der größten Gruppe in der außerklinischen Intensivpflege, nämlich die Menschen mit erworbenem Hirnschaden, wurde nicht mit aufgenommen. In einigen Bundesländern ist es gängige Praxis, dass diese Betroffenen aus dem Krankenhaus direkt in eine außerklinische Einrichtung entlassen werden. Sie bekommen keine Chance auf eine professionelle Rehabilitation. Wir sehen in unserer täglichen Arbeit, dass die neurologische Langzeitrehabili-tation ein langjähriger Prozess ist. Die Erfolge kommen nur langsam, manchmal besteht der Erfolg auch nur in der vegetativen Stabilität der Betroffenen. Manchmal führt unsere Arbeit aber auch wieder in ein selbstbestimmtes Leben zurück.