Grund für die Gehirn-Größe des Menschen

Sächsische Forscher haben ein Gen identifiziert, das maßgeblich für das Wachstum des menschlichen Gehirns verantwortlich ist. Ihre Entdeckung beschreiben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden in der neuen Dokumentation von MDR WISSEN mit dem Titel „Zufall Mensch? Kleine Schritte zum großen Gehirn“. Zeitgleich veröffentlichen die Forscher ihre Erkenntnisse im renommierten Wissenschaftsmagazin Science. Darin beschreibt das Team des MPI ein spezielles menschliches Gen (ARHGAP 11B), das die Produktion von Hirnstammzellen erheblich steigert. „Dieses Gen bewirkt eine rasante Zellteilung während der embryonalen Entstehungsphase des Gehirns“, sagte Prof. Wieland Huttner, Direktor des Institutes und Leiter der Studie. Die Produktion von Hirnstammzellen verlaufe dadurch ähnlich schnell wie bei Krebszellen, nur kontrollierter. Für ihre Arbeit haben die Dresdner Forscher das Gen beispielsweise in die Föten von Mäusen und Weißbüschelaffen eingebracht. Dies habe nicht nur zu einer Vergrößerung des Gehirns und der Zunahme von neuronalen Vorläuferzellen geführt. Vielmehr hätten sich die sonst glatten Gehirne der Tiere in Falten gelegt, wie es sonst beim Menschen der Fall ist. Prof. Wieland Huttner: „Ich würde schon sagen, dass das Gen identifiziert wurde, das mit höchster Wahrscheinlichkeit für die evolutionäre Vergrößerung unserer Großhirnrinde verantwortlich ist. Es geht um
ein Gen, von dem ich glaube, dass es entscheidend mitverantwortlich ist, dass unser menschliches Gehirn zirka drei Mal so groß ist wie das des Schimpansen.“

ARHGAP 11B kommt nur im menschlichen Hirn vor und ist schätzungsweise vor etwa ein oder zwei Millionen Jahren durch eine zufällige Mutation zum Motor für das Hirnwachstum geworden. In der Großhirnrinde befinden sich beispielsweise die Areale für Denken und Sprache. Die Wissenschaftler um Prof. Wieland Huttner glauben, damit einen wichtigen Schritt in der Evolution des Menschen entdeckt zu haben. Mit der Bedeutung dieser Punktmutation, einer einzigen, winzigen Veränderung innerhalb der drei Milliarden Positionen unseres Erbguts wird auch klar, dass unser Hirnwachstum ein purer Zufall, eine Laune der Natur war: „Ich bin immer davon ausgegangen, dass es sozusagen unausweichlich war, dass es den
modernen Menschen geben wird. Durch Weiterentwicklung von Homo habilis, Homo erectus. Aber wenn es wirklich so sein sollte, dass diese Punktmutation und diese partielle Duplikation, die ihr vorgeschaltet ist, kausal wichtig sind, dass es uns gibt, dann fragt man sich, ob diese Annahme, dass es uns hat geben müssen, wirklich stimmt“, so Prof. Huttner.

Das große Gehirn sei aber nicht allein für die menschliche Intelligenz verantwortlich, betonen die Dresdner Forscher. Dafür seien unter anderem auch Hirnstrukturen und Verknüpfungen wichtig. „Allerdings ist ein großes Hirn eine der Voraussetzungen, dass der Mensch zu dem wurde, was er heute ist.“ Huttner und seine Arbeitsgruppe denken, dass ihre Erkenntnisse künftig auch bei der Behandlung von neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer von Bedeutung sein könnten. Im Gespräch mit MDR WISSEN äußerte er die Hoffnung auf künftige medizinische Anwendungen: „Ich würde nicht ausschließen, dass unsere Kenntnis, wie man neuronale Stammzellen vermehrt, auch irgendwann einmal
nutzbar ist, um eben verlorengegangene Nervenzellen im erwachsenen Menschen wieder neu zu schaffen.“

MDR Wissen hat die Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut in Dresden über ein Jahr lang bei ihren Forschungen begleitet. Die 45-minütige Dokumentation gibt es auf der Website www.mdr-wissen.de zu sehen.

Weitere Artikel

Letzte Beiträge