Doppelt so schlechte Chancen für Menschen mit Behinderung

Obwohl Arbeitgeber verpflichtet sind, Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen, erfüllen nur 39 Prozent der Firmen die Quote vollständig. Das ist der schlechteste Wert seit zehn Jahren.

Unternehmen klagen über Fachkräftemangel, aber Menschen mit Behinderung werden auf dem Arbeitsmarkt laut einer neuen Studie weiterhin strukturell benachteiligt. Das liegt vor allem daran, dass viele Firmen lieber eine Ausgleichsabgabe zahlen, als die vorgeschriebene Schwerbehindertenquote zu erfüllen. Das berichtete die Aktion Mensch am Donnerstag in Bonn in ihrem neuesten Inklusionsbarometer Arbeit, das zusammen mit dem Handelsblatt Research Institute erstellt wurde. „Nach wie vor beschäftigt mehr als ein Viertel der dazu verpflichteten Betriebe in Deutschland keine Menschen mit Behinderung“, hieß es.

Ab 20 Mitarbeitenden müssen Arbeitgeber schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Erfüllt ein Arbeitgeber die Pflichtquote von fünf Prozent nicht, muss er für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe bezahlen.

Die Anzahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist 2022 laut der Studie gegenüber dem Vorjahr im Jahresschnitt zwar um rund fünf Prozent auf 163.500 Personen gesunken. Seit April 2023 liege der Wert jedoch wieder höher als 2022, zuletzt im Oktober bei 165.700. „Der konjunkturelle Abschwung ist mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen“, erklärte Institutspräsident Bert Rürup. Die für 2023 erwartete schrumpfende gesamtwirtschaftlichen Leistung trübe auch die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderung.

Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung sei 2022 mit fast elf Prozent immer noch mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Quote gewesen. Auch hätten Menschen ohne Behinderung eine mehr als doppelt so hohe Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen mit Behinderung. „Von einer Gleichberechtigung ist Deutschland noch immer meilenweit entfernt – und das fast 15 Jahre nach Inkrafttreten der Uno-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt beschreibt“, kommentierte Aktion-Mensch-Sprecherin Christina Marx die Lage.

Die Organisation wies darauf hin, dass in Deutschland fast 175.000 Unternehmen gesetzlich dazu aufgefordert sind, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. Der Anteil der Arbeitgeber, die alle Pflichtarbeitsplätze besetzt hätten, sei 2022 jedoch auf 39 Prozent gefallen. Dies sei der niedrigste Wert seit Erscheinen des ersten Inklusionsbarometers 2013. Dagegen beschäftige noch immer mehr als jedes vierte Unternehmen keinerlei Menschen mit Behinderung. Diese Unternehmen würden trotz des Fachkräftemangels leichtfertig auf die Potenziale von Inklusion verzichten, so Marx. Unter Menschen mit Behinderung gebe es im Vergleich mehr gut qualifizierte Fachkräfte, betonte sie.

Weitere Artikel

Letzte Beiträge