Miteinander auf Augenhöhe

  1. Würzburger Aphasie-Tagen finden vom 15. bis 17. März wieder in Präsenz statt.

Auch wer nicht internetaffin ist, hat 2024 die Chance, an den Würzburger Aphasie-Tagen teilzunehmen: Erstmals seit Corona finden die vom 15. bis 17. März wieder in Präsenz an der Uni Würzburg statt. Über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum werden erwartet. Der vom Aphasiker-Zentrum Unterfranken (AZU) ausgerichtete Kongress wird nächstes Jahr zum 25. Mal organisiert. Mit Walter Huber aus Aachen nimmt ein Stargast der ersten Stunde an dem Jubiläum teil.

Es dauert oft lange, bis sich jemand, der schwer krank wurde, wieder auskuriert hat. Bei einer Aphasie geschieht dies in vielen Fällen nie vollständig: Die Erkrankung begleitet oft das ganze restliche Leben. Damit fertig zu werden, ist nicht leicht. Betroffene machen zudem die Erfahrung, dass aufgrund ihres sprachlichen Handicaps nicht auf Augenhöhe mit ihnen umgegangen wird. Walter Huber, ehemaliger Leiter des Forschungsgebiets Neurolinguistik an der Universität in Aachen, wird darauf in seinem Eröffnungsvertrag eingehen. Der emeritierte Professor rief die Würzburger Aphasie-Tage zusammen mit Beate Hechtle-Frieß vom AZU vor 25 Jahren ins Leben.

Fast jeder Aphasiker und fast jede Aphasikerin hat zum Beispiel schon erlebt, dass sich die eigenen Wünsche in Bezug auf eine Therapie nicht mit den Zielen des Therapeuten decken. „Es ist wichtig, zu fragen, was sich denn Menschen mit Aphasie von einer Therapie wünschen“, betont Psychologin Beate Hechtle-Frieß. Das meint ganz konkret, im therapeutischen Prozess auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten.

In seinem Vortrag wird Walter Huber die Quintessenz aller seiner Überlegungen zum facettenreichen Thema „Augenhöhe“ im Rückblick auf seine langjährige berufliche Tätigkeit präsentieren. Sein eigenes Berufsleben ist durchzogen von mehrfachen Blickwechseln. Auch Walter Huber musste einst lernen, mit aphasischen Menschen auf Augenhöhe umzugehen.

Die Würzburger Aphasie-Tage selbst sind ein Paradebeispiel dafür, wie Inklusion und Augenhöhe gelingen können. Bereits vor 25 Jahren standen sie unter der Devise: „Nicht über euch, sondern mit euch!“ Alle Workshops und Vorträge sind so gestaltet, dass sowohl Aphasiker als auch Angehörige und Profis teilnehmen können. 25 Jahre lang wurde dabei die Erfahrung gemacht, dass dies inspirierend für alle Beteiligten ist.

Tradition ist es seit 25 Jahren, dass Menschen mit einer Aphasie das Programm mitgestalten. 2024 geschieht dies am dritten Kongresstag bei einem Podium mit der von Aphasie betroffenen Psychologin Marina Fraas. Sie spricht unter anderem mit der angehenden Sozialarbeiterin Anne Eick. Deren Vater ist von Aphasie betroffen. „Von der Krise zur Stärke!? Aphasie in Familien“ lautet das Thema des Podiums. Diskutiert wird unter anderem über das Phänomen der „Umgekehrten Fürsorge“. Was bedeutet: Wird ein Elternteil in jungen Jahren pflegebedürftig, müssen Kinder, die sich jetzt eigentlich gern abnabeln würden, plötzlich Verantwortung für dieses Elternteil übernehmen.

Aber auch die umgekehrte Situation, wie sie Marina Fraas erlebt hat, verkompliziert und belastet zunächst das Familiengefüge. Marina Fraas verließ nach der Schule das Elternhaus, um zu studieren. Nach einem Jahr erwischte es sie: Mit gerade mal 20 erlitt sie einen schweren Schlaganfall. Mit einem Mal war sie wieder auf die Unterstützung ihrer Mutter angewiesen.

Insgesamt wird es in diesem Jahr drei Vortrags- und zwei Workshop-Blöcke geben. Unter 35 Workshops und 25 Vorträgen kann gewählt werden. Ina Kimmel, Logopädin und Coach, wird in ihrem Vortrag darauf eingehen, was Therapeuten, die von schweren Schicksalsschlägen anderer Menschen mitbekommen, benötigen, um resilient zu bleiben. Viele Therapeutinnen und Therapeuten machen laut Beate Hechtle-Frieß die Erfahrung, dass es ist gar nicht einfach ist, sich abzugrenzen.

Anja Wunderlich aus Österreich spricht über Möglichkeiten der Teilhabe aphasischer Menschen in Bezug auf die Kommunikation. Die Innsbrucker Psycholinguistin forscht seit 2017 zu verschiedenen Aspekten der Logopädie. Im vergangenen Jahr erschien von ihr ein Beitrag in der Zeitschrift „Neurologie & Rehabilitation“, in dem es um die Frage ging, wie bekannt neurologisch bedingte Sprach- und Sprechstörungen im Dienstleistungsbereich und im Handel sind. Außerdem befasste sie sich mit der kommunikativen Teilhabe aphasischer Menschen in Behörden.

Wieder einmal zu Gast bei den Würzburger Aphasie-Tagen ist Ulrike Steinhöfel. Die Ärztin überlebte im Alter von 32 Jahren nur knapp einen Schlaganfall. Zusammen mit einem Sexualtherapeuten wird sie der Frage nachgehen, wie die Sexualität nach einem Schlaganfall neu belebt werden kann.

Die Preise für die Aphasie-Tage sind gestaffelt: Therapeutinnen und Therapeuten zahlen 250 Euro, Schüler und Studenten 110 Euro, Schul- und Unigruppen zahlen je Person 99 Euro ab 10 und 89 Euro ab 15 Teilnehmern. Für Betroffene und Angehörige kostet die Teilnahme 130 Euro.

Walter Huber Bild: AZU

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