Neue Studie zeigt: Schlaganfallnachsorge könnte durch strukturiertere Versorgung verbessert werden. DSG-Experten fordern eine engere Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten und Pflegekräften.
Lähmungen, Gedächtniseinbußen oder Depressionen – die Folgen nach einem Schlaganfall sind oft gravierend und langfristig. Ein „Weiter so“ kann es für viele Menschen nach einem Hirninfarkt deshalb nicht geben. Doch selbst wenn der Schlaganfall folgenlos vorübergeht, sollten die Betroffenen nicht einfach zum „Weiter so wie zuvor“ zurückkehren. Denn auf einen Schlaganfall folgt oft ein zweiter, der nicht selten mit deutlich schwerwiegenderen Nachwirkungen einhergeht, mahnt die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft e.V. (DSG). Ob sich das Risiko für ein solches Rezidiv mit einer besseren Nachsorge verringern lässt, wurde aktuell im Rahmen einer großangelegten Studie untersucht. Erste Ergebnisse, die gerade in der Fachzeitschrift The Lancet Neurology veröffentlicht wurden, bewerten DSG-Experten als vielversprechend.
Jedes Jahr erleiden rund 70.000 Menschen in Deutschland ein Schlaganfallrezidiv. Damit ist ungefähr jeder vierte Insult, wie der Schlaganfall von Medizinerinnen und Medizinern genannt wird, kein erstmaliges, völlig überraschendes Ereignis, sondern ein erneuter Schlaganfall. „Das von einem ersten Insult ausgehende Warnsignal muss dringend noch ernster genommen werden und eine strukturierte Behandlung nach sich ziehen“, sagt Professor Dr. med. Darius Nabavi, 1. Vorsitzender der DSG und Chefarzt der Abteilung für Neurologie am Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin. Schätzungen gehen davon aus, dass rund die Hälfte aller Rezidive verhindert werden könnte – wenn es den Betroffenen gelänge, wichtige Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen oder erhöhte Blutfettwerte besser zu kontrollieren. Frühere Studien haben jedoch gezeigt, dass das bei vielen Patientinnen und Patienten nicht gelingt.
Langfristige Verbesserungen sind bei Schlagfanfall-Betroffenen häufig nur durch eine Kombination von Lebensstilveränderungen und Medikamenten zu erreichen, die konsequent durchgehalten beziehungsweise eingenommen werden müssen. „In diesem Sinne muss der Schlaganfall als chronische Erkrankung verstanden werden, die die Aufnahme in ein Disease Management Programm rechtfertigt“, sagt Professor Dr. med. Jürgen H. Faiss, Geschäftsführer der DSG. Solche Programme, kurz als DMPs bezeichnet, gibt es bereits für chronische „Volkskrankheiten“ wie Diabetes, COPD oder Asthma, bei deren Management die Betroffenen ebenfalls langfristige und engmaschige Unterstützung benötigen. Bereits seit Langem etabliert sind auch DMPs für Patientinnen und Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK). „Sie zeigen, dass eine Sekundärprävention auch bei Gefäßerkrankungen gelingen kann“, sagt Faiss.
Dass eine gezielte, strukturierte Schlaganfall-Nachsorge die Risikofaktorbehandlung verbessern kann, wurde nun auch im Rahmen der so genannten SANO-Studie („Strukturierte ambulante Nachsorge nach Schlaganfall“) bestätigt. In 30 deutschen Regionen nahmen insgesamt knapp 2.800 Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten an dieser Untersuchung teil. In der Hälfte der Regionen wurde den Betroffenen eine strukturierte Nachsorge angeboten, in den übrigen 15 (Kontroll-)Regionen ging die Nachsorge nicht über den bislang üblichen Umfang hinaus.
Wie die ersten Auswertungen ergaben, konnten durch das SANO-Programm mehrere Gefäßrisikofaktoren signifikant verringert werden. „Das galt insbesondere für das Rauchen und die Cholesterinwerte“, fasst Faiss die Ergebnisse zusammen. „Beim Blutdruck, Diabetes mellitus, körperlicher Aktivität und Ernährung zeigten sich zudem positive Trends.“ Auch Todesfälle seien im Verlauf der einjährigen Nachbeobachtungszeit seltener aufgetreten. Kein Unterschied habe sich allerdings beim zuvor festgelegten Kombinations-Endpunkt aus Schlaganfallrezidiven, Herzinfarkten und Todesfällen gezeigt. Letzteres ist in Anbetracht der kurzen Nachbeobachtungsphase wenig überraschend. „Es bleibt abzuwarten, ob sich hier noch langfristige Effekte abzeichnen werden“, so der DSG-Geschäftsführer. Auch stehe die Beurteilung des SANO-Programms in Bezug auf andere Schlaganfallfolgen wie Stürze, Depressionen oder eine verringerte Lebensqualität noch aus.
Bereits vor fünf Jahren wurde eine Verbesserung der Schlaganfallnachsorge als zentrale Forderung in den „Action Plan for Stroke in Europe“ als europaweites Ziel formuliert, den die DSG mit erarbeitet hat. „Die Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten sollen demnach idealerweise in einem umfassenden lokalen Behandlungsnetzwerk betreut werden, das in engem Austausch mit ihrer hausärztlichen Praxis steht“, betont Nabavi. Je nach Bedarf sollten Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen ebenso in die Nachsorge involviert sein wie Pflegende, Therapeutinnen und Therapeuten, sowie gesundheitsnahe Dienstleister. Das im „Action Plan for Stroke in Europe“ erarbeitete Konzept adressiere damit nicht nur das erhöhte Risiko eines Rezidivs und anderer physischer und psychischer Komplikationen. „Zugleich formuliert es auch Behandlungsstandards, wie sie für eine so komplexe und folgenreiche Erkrankung wie den Schlaganfall dringend benötigt werden“, betont Nabavi abschließend. Damit wurde aus Sicht der DSG eine wichtige Grundlage für die rasche Etablierung eines DMPs bereits geschaffen.