Tag der Verkehrsunfallopfer

Ein Moment der Unachtsamkeit, eine Fehleinschätzung, eine Spur von Leichtsinn, schon ist es passiert: Jeden Tag kommt es in Deutschland zu mehr als 800 Verkehrsunfällen, bei denen Menschen verletzt oder gar getötet werden. Rund 70.000 Opfer jährlich erleiden dabei ein Schädel-Hirntrauma, das sowohl körperliche als auch kognitive und emotionale Schäden verursachen kann. Vor allem emotionale Beeinträchtigungen hinterlassen bei Betroffenen und Angehörigen oft tiefe unsichtbare Narben. Die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung möchte anlässlich des Weltgedenktages der Unfallopfer im Straßenverkehr am kommenden Sonntag, 15. November, den Blick für derartige Einschränkungen schärfen und die Öffentlichkeit auch für jene Folgeschäden sensibilisieren, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.

Robin Poliwoda zum Beispiel wurde 2003, damals 16 Jahre alt, in Köln als Radfahrer frontal von einem PKW erfasst – mit dramatischen Folgen. „Ich hatte einen Augenhöhlendurchbruch sowie ein Blutgerinnsel im Kopf erlitten und musste deswegen zweimal operiert werden – sonst hätte ich nicht überlebt“, erzählt er im Interview. „Ich saß lange Zeit im Rollstuhl, musste vieles neu lernen und habe bis heute mit den Folgen zu leben. Meine Aufmerksamkeit ist seitdem sehr gemindert, sodass es mir extrem schwerfällt, mich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder mir Dinge zu merken. Außerdem habe ich Panikattacken, die allerdings inzwischen zum Glück nicht mehr so häufig auftreten wie früher, und sehr oft starke Kopfschmerzen.“ Dieses Level zu erreichen und auch zu halten, habe allerdings sehr viel Zeit und noch mehr Kraft gekostet, wie Robin gesteht. „Ich bin eben ein Kämpfer. Ich weiß ja, wie ich vor dem Unfall war, und ich habe immer den Antrieb, diesem Zustand wieder so nahezukommen, wie es nur geht. Natürlich ist mir klar, dass es nie wieder so sein wird wie früher, aber ich kann zumindest versuchen, das Beste aus dem zu machen, was mir im Moment möglich ist.“

Selbstverständlich ist eine derartige Einstellung nicht, meint der Neuropsychologe Dr. Wolfgang Kringler. „Viele Betroffene werden durch die Illusion von erreichbarer Perfektion eher blockiert als motiviert“, erklärt er. „Irgendetwas bleibt nach einem Verkehrsunfall mit schwerem Schädel-Hirntrauma immer zurück, und damit müssen die Patienten – aber auch die Angehörigen – erst einmal klarkommen. Vor allem die Schuldfrage treibt sie oft um: Wer ist für den Unfall verantwortlich und damit für all das, was jetzt nicht mehr so funktioniert wie früher? Ein anderer? Man selbst? Das sind Fragen, die Betroffene oft jahrelang mit sich herumtragen, zum Teil für den Rest ihres Lebens, und die immer wieder hochkommen, etwa bei einer juristischen Aufarbeitung des Unfalls. Dabei ist es immer besser, nach vorne zu schauen als zurück.“

Als Ansprechpartner für Menschen mit einer unfallbedingten Schädelhirnverletzung und ihre Angehörigen steht die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung in allen Phasen der Akutbehandlung, Rehabilitation und Nachsorge zur Verfügung. Der ZNS-Beratungsdienst informiert kostenfrei und unabhängig zu individuellen Hilfen und Behandlungsmöglichkeiten. Er begleitet Opfer und Angehörige im Sinne eines Lotsen durch das verwirrende System der sozialrechtlichen Zuständigkeiten sowie die Vielfalt der therapeutischen Angebote. Seminare und Veranstaltungen ermöglichen den Verletzten den Austausch mit Gleichbetroffenen. Der kostenfrei zu beziehende „Leitfaden für Verkehrsunfallopfer mit Schädelhirnverletzungen und ihre Angehörigen“ bietet hilfreiche Informationen, damit sich folgenschwere Fehler bei der Regulierung des Unfalls möglichst vermeiden lassen.

 

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